„Aero is everything!“ Fast jeder kennt diese Weisheit aus der Rad- und Triathlonsszene, aber was steckt wirklich dahinter? Nils Frommhold, ehemaliger Deutscher Meister Triathlon Langdistanz und mehrfacher Sieger auf der Ironman-Distanz, schildert seinen Tag im Windkanal und erklärt, wie sich die Ergebnisse auf seine Materialwahl und Sitzposition auswirken.
Für mich ist es wichtig, meine Aerodynamik stetig zu verbessern. Der Windkanal ist dabei eine Möglichkeit neben den klassischen Tests auf der Radrennbahn oder auf der Straße, um zu prüfen, wie sich Material und Sitzposition auf den sogenannten CdA-Wert auswirken. Dies ist der Luftwiderstandswert, den ein Radfahrer dem Wind durch seine Sitzposition und Rollwiderstand bietet.

Warum Windkanal?
Der große Vorteil von Tests im Windkanal: Ich kann in kurzer Zeit mehrere unterschiedliche Setups testen und erhalte die Ergebnisse in Echtzeit, um sie umgehend für weitere Tests zu nutzen. Ein Nachteil ist, dass der Test statisch abläuft. Man tritt in die Pedale, bewegt sich jedoch nicht. Außerdem sind die Messungen so sensibel, dass sich selbst kleinste Veränderungen wie z.B. das Verrutschen des Renneinteilers auf das Ergebnis auswirken können. Das hört sich erstmal nach viel Aufwand an – und das ist es das auch. Ein Tag im Windkanal ist kostspielig, aber für Profis eine sinnvolle Investition. Deswegen bin ich dankbar, seit Jahren Partner und an meiner Seite zu haben, die mir diese aufwendigen Tests ermöglichen. Die Ergebnisse sind für mich dabei nur eine Tendenz für eine positive Veränderung. Wichtiger als die blanken Zahlen ist es für mich, die Erfahrungen aus dem Windkanal mit den biomechanischen Aspekten, die ich mir mit meinem Bike-Fitter erarbeitet habe, und den Trainingseindrücken auf der Straße zu einem Gesamtpaket zu kombinieren.

Früher exotisch, heute selbstverständlich
Vermutlich war ich einer der ersten Triathleten, die bereits 2014 auf der Bahn und im Windkanal testeten. Ein sehr wichtiger Baustein für meinen Erfolg bei der Challenge Roth 2015 war das Canyon Speedmax SLX CF und die zahlreichen Testtage im Windkanal, die mir einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschafften. Doch die Zeiten haben sich seitdem geändert: Mittlerweile steht kaum ein Profi an der Startlinie, der nicht von einem Bike-Fitter und einem Aerodynamik-Experten beraten wird.
Wie läuft ein Tag im Windkanal ab?
Schon bevor man in die Testreihen startet, muss man exakt definieren, was man sich vom Test erhofft bzw. was man genau testen will. In meinem Fall gab es drei Baustellen, an denen ich arbeiten wollte:
1. Aero-Rahmenflasche
Ich hatte häufig das Problem, dass meine Flasche aus dem Flaschenhalter rutschte und ich so im Wettkampf die Flasche inkl. der wichtigen Rennverpflegung verlor. Zwei Alternativen, die fester in Rahmen sitzen, wollte ich testen und die Frage war: Muss ich mir zusätzliche Sicherheit über aerodynamische Nachteile erkaufen?
2. Der Renn-Einteiler
Mit „endless local“ arbeitete ich an der Entwicklung eines Einteilers. Prototypen aus verschiedenen Stoffen und mit verschiedenen Schnitten sollten getestet werden, um die mit den besten aerodynamischen Eigenschaften weiterzuentwickeln.
3. Die Sitzposition
Als Letztes ging es um die Aero-Optimierung meiner Position auf dem TT-Bike, um eine Tendenz zu erkennen, wie sich kleinste Veränderungen gerade an meinem Cockpit auf die Aerodynamik auswirken. Das ist wichtig, um im langfristigen Prozess und gerade im Bike-Fitting zu wissen, welche Veränderungen sich zukünftig lohnen könnten.
Der Test im Windkanal
Aktuell gibt es im deutschsprachigen Raum nur einen Standort, der sich in den letzten Jahren an die Bedürfnisse von Bike-Tests angepasst hat: Der „GST Windkanal“ auf dem „Airbus Defence and Space“ Gelände in Immenstaad am Bodensee. Ursprünglich für Flugzeuge konzipiert, testet der Verantwortliche Ernst Pfeiffer mittlerweile auch Rennwagen und eben Fahrräder und deren Fahrer*innen. Für mich war es bereits der fünfte Test im Immenstaader Windkanal, so dass es immer wieder ein freudiges Widersehen ist. Durchgeführt wurden die Tests von Aerodynamik-Experte JP Ballard und seinem Team. Sie gehören zu den führenden Spezialisten auf dem Gebiet und haben schon mehrere hundert Testtage im Windkanal verbracht.

Zu Beginn des Testtages gilt es die sogenannte Base-Line, also den IST-Zustand, zu bestimmen. Der so genannte CdA Wert ist die Grundlage, auf dessen Basis sich die Veränderungen der nächsten Messungen ergeben. Da dieser Messwert besonders wichtig ist, werden mehrere Messungen und Testreihen durchgeführt, um die Verlässlichkeit und Reproduzierbarkeit der Werte sicherzustellen. Meist reichen dafür drei Messungen aus, vorausgesetzt die Abweichung zwischen den Messungen ist im Rahmen von kleinen Messungenauigkeiten, die einfach nicht zu verhindern sind.
Damit verschiedene Messungen miteinander verglichen werden können, müssen die Athlet*innen stets in der gleichen Position fahren. Um dies zu ermöglichen, wurde in den letzten Jahren immer mehr im „GST Windkanal“ modifiziert, um es den Sportler*innen so einfach wie möglich zu machen. So wird die Position von der Seite gefilmt und vor den Fahrer*innen als Silhouette auf den Boden projiziert. Jede kleinste Bewegung und Veränderung der Position werden so direkt in Echtzeit sichtbar. Markierungen auf dem Boden wie z.B. der Helm- und Rückenabschluss helfen, die Position zu halten. Das hört sich leicht an, aber die ein bis zwei Minuten, die ein Testdurchgang dauert, können länger sein als man denkt.

In dieser Zeit finden jeweils drei Messungen bei Front- und bei Seitenwind statt, Die Frontalergebnisse werden mit 75 % gewichtet, der Seitenwind zu 25%. Addiert man beide Werte, erhält man das CdA-Ergebnis der Messung. Die Durchschnittswerte der drei Messungen ergeben dann das endgültige Ergebnis, auf dessen Basis man die nächsten Durchgänge und Modifizierungen plant.
So kommen am Ende eines Testtages 10 bis 15 Messungen zusammen. Bei mir waren es dieses Mal 13 Messungen. Hinzu kommt der so genannte „Freestyle Test“, bei dem man im Schnelldurchgang und ohne Unterbrechung mit jeweils nur einer Messung zwischen den Positionen wechselt. Dies wird insbesondere bei Arm- und Kopfpositionen praktiziert, da diese nur schwer reproduzierbar sind.
Was hat der Testtag für mich gebracht?
Die Ergebnisse der Testreihen haben gezeigt, dass sich mein CdA-Wert verbessert hat. Mein konkreter Benefit bei einem Tempo von 45km/h sind 6,5 Watt Leistung. Aber warum?
Verantwortlich dafür sind der neue Einteiler von endless local und die ca. 1 cm längere Position auf meinem Cockpit. Eine weitere positive Erkenntnis: Die neue Aeroflasche sitzt fester in der Halterung ohne dass sie aerodynamische Einbußen mit sich bringt.

Aufmerksame Beobachter konnten diese Veränderungen – mit Ausnahme des Einteilers – bei der Challenge St. Pölten Anfang Juni 2022 bereits erkennen. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich Kopf- und Armpositionen bei mir auswirken: Fahren in sogenannten Base Bar Position bedeuten plus 83 Watt, die Hände übereinander entspricht einer Ersparnis von minus 5 Watt und eine tiefe Kopfposition („Shoulder Shrug“) eine Optimierung von minus 6 Watt. Alle Werte sind von meinem Endergebnis abgeleitet.
Ein einziger Tag im Windkanal hat so Resultate geliefert, für die ich auf der Straße weitaus länger hätte trainieren müssen. Daher für mich ein klarer Mehrwert! Trotzdem muss man die Zahlen immer mit Bedacht betrachten. Nach dem Test beginnt die eigentliche Arbeit: Denn entscheidend ist es, die Erkenntnisse auch im Wettkampf umzusetzen. Eine optimierte Sitzposition bringt schließlich nur dann Vorteile, wenn man sie auch über längere Zeit durchhalten kann.
Ist Aero jetzt also alles?

Aus meiner Sicht nicht. Eine Position muss natürlich auch biomechanisch Sinn ergeben. Triathlon ist immer eine Kombination aus vielen Einflüssen: Material, Bikefitting, Aerodynamik.
Ein Kreislauf, der nie endet. Es geht immer noch professioneller und noch schneller. So ist Profisport und dieses Streben nach immer besseren Zeiten mit der Unterstützung von High Tech macht mir nicht nur jede Menge Spaß, sondern fasziniert mich immer wieder aufs Neue!
Bilder sind von Moritz Sonntag.
Genau, ich nutze jetzt die Giant Flasche und die ist im Vergleich zur Elite Flasche aerodynamisch betrachtet ungefähr gleichwertig. Wie sich die Flasche im Vergleich zu konventionellen Standardflaschen verhält, haben wir nicht explizit getestet. Aus vergangenen Tests ist jedoch bekannt, dass der Unterschied bei gleichem/ ähnlichen Testprotokoll im einstelligen Wattbereich liegt. Sprich aerodynamisch betrachtet, lohnt sich die Nutzung einer Aeroflaschen unabhängig vom Hersteller. Der Unterschied ist messbar und recht groß.
was brachte die Wasserflasche in Watt? wie groß sind die Unterschiede zu einer konventionellen runden 750 ml Flasche mit Standard Flaschenhalter? darf man das genaue Modell erfahren, das du jetzt nutzt?
Das ist die Flasche vom Giant Trinity.