Die meisten werden schon von einem Bikefitting gehört haben, doch gemacht haben es die wenigsten. Dabei bringt die Vermessung des eigenen Körpers und die anschließende Übertragung der Daten auf das eigene Fahrrad viele Vorteile mit sich. Sind die Kontaktpunkte Sattel, Lenker und Pedale optimal an den Fahrer angepasst, können Überbelastungen und Schmerzen verhindert und ein neues Level an Komfort und Lebensqualität gewonnen werden.
Für sportlich Ambitionierte Fahrer, Pendler oder Vielfahrer ist die resultierende Verbesserung der Leistung von hohem Nutzen, auch wenn es manchmal nur um ein paar Millimeter geht: Eine individuelle Anpassung des Fahrrads spart Energie, weil mehr der aufgebrachten Kraft über die Pedale übertragen wird. Auch bei einem Neukauf erweist sich ein Bikefitting als äußerst praktisch: Über die im System hinterlegten Fahrradherstellerdaten kann bereits eine passende Vorauswahl an passenden Bikes getroffen werden.
Im Normalfall wird ein professionelles Bikefitting von Fahrradhändlern angeboten, aber auf der diesjährigen Cyclingworld in Düsseldorf gab es am SHIMANO Stand ein echtes Highlight: Das Tochterunternehmen bikefitting.com hatte ein umfangreiches Set-Up für ein ausführliches Bikefitting dabei. Ein Angebot, das sehr viel Anklang fand. Das Fitting und die anschließende Beratung wurde durch Marco Müller-Sciacca übernommen, Bikefitting Experte und Außendienst der Marke bikefitting.com bei Paul Lange & Co.
Wir haben uns mit Marco unterhalten um herauszufinden, für wen sich ein Bikefitting eignet, welche Vorteile es mit sich bringt und wie ein Fitting umgesetzt wird.
Hallo Marco! Erkläre uns doch am besten zuerst, was ein Bikefitting eigentlich ist und welche Aspekte es beinhaltet?
Marco: Es beinhaltet im Wesentlichen die Optimierung der Sitzposition auf dem Fahrrad, von der der Radfahrer oder die Radfahrerin profitieren können. Ein Bikefitting hat folgende Ziele: Steigerung des Komforts, schneller fahren mit weniger Anstrengung, optimale Leistung und nicht zu vergessen eine höhere Sicherheit auf dem Rad.
Durch Bikefitting kann man an folgenden Stellen individuelle Anpassungen vornehmen und diese optimieren: Lenkerposition (Breite, Form), Sattelposition (Breite, Höhe, Neigung, Form) und die Pedal-Cleat-Position, wenn mit Klickpedalen gefahren wird.
Wann ist denn ein guter Zeitpunkt für ein Bikefitting?
Marco: Verbesserung des Komforts oder der Leistung sind gute Gründe für ein Bikefitting.
Ein Fitting kann beispielsweise am vorhandenen Rad durchgeführt werden: Du hast dich bereits vor längerer Zeit für ein Bike entschieden und bemerkst nun das ein oder andere Zipperlein? Das ist nicht ungewöhnlich. Informiere dich, welcher Händler sich auf deinen Fahrradtyp spezialisiert hat oder wende dich an einen speziellen Bikefitting-Fachhändler, der verschiedene Rad-Typen abdeckt. Falls der Händler des Vertrauens nicht direkt weiterhelfen kann, weiß er bestimmt eine Alternative in deiner Nähe.
Vor dem Kauf ist es sinnvoll, sich über die Möglichkeit eines Fittings zu informieren. Manche Händler bieten mittlerweile auch Bikefitting als kostenlosen Zusatzservice an. Nach einer Vermessung hast du einen deutlich besseren Anhaltspunkt bei der Suche nach einem neuen Fahrrad, was Größe und Geometrie betrifft. Natürlich entscheidet am Ende immer noch die Probefahrt, ob du dich auf dem Bike wohl fühlst.
Auch Athleten profitieren von einem Bikefitting. Ambitionierte Radfahrer, die in erster Linie auf die Verbesserung ihrer Leistung hinarbeiten, stellen gesonderte Ansprüche an das Bikefitting. Bei der Sitzposition geht es um den bestmöglichen Kompromiss aus Aerodynamik und Komfort. Die Kraftübertragung vom Bein auf das Pedal soll optimiert werden, die Sitzposition windschnittig, stabil und schmerzfrei sein. Denn Herumrutschen auf dem Sattel, Schmerzen und Verspannungen ziehen Energie, die dann nicht mehr für Vortrieb zur Verfügung stehen.
Für wen bzw. für welche Art von Radfahren ist Bikefitting, welcher Umfang wird beim ersten Mal empfohlen?
Marco: Um den Menschen den größten Spaß am Fahrradfahren zu ermöglichen, ist es notwendig, dass Fahrrad und den Fahrer möglichst perfekt aufeinander abgestimmt sind. Ein Bikefitting sollte heutzutage jeder Radfahrer machen bevor er sich ein Neues Fahrrad kauft, allein schon durch die Auswahl der richtigen Fahrradgröße und der Sattelhöhe wird man ein angenehmes Fahrgefühl spüren. Ein zu kleines Fahrrad oder zu großes Fahrrad gekauft zu haben ist ärgerlich, was in der Folge auch Zusatzkosten generiert und den Fahrspaß nimmt.
Ein passgenaues Fahrrad erhöht die Zufriedenheit für jeden Fahrradfahrer. Für das Basic Bikefitting wird eine statische Vermessung als Einstieg empfohlen, hierzu werden 8 verschiedene Körpermessdaten mit unserem bikefitting.com 2D Body Analyzer genommen. Innerhalb kürzester Zeit bekommt man so eine Empfehlung für die passende Rahmengeometrie:
- Körpergröße
- Rumpflänge
- Schrittlänge
- Oberarmlänge links/rechts
- Unterarmlänge links/rechts
- Fußlänge links
- Fußlänge rechts
- Schulterbreite
Diese Daten können außerdem für die verschiedenen Fahrradtypen und unterschiedlichen Fahrerprofile verwendet werden, die anschließend über eine Plug-in Funktion in der Software die optimale Rahmengröße des favorisierten Herstellers ermitteln können.
Welche Beschwerden können mit einem Bikefitting behoben werden?
Marco: Beschwerden können durch eine falsche Rahmengröße, falsche Sitzposition oder falsche Anbauteile hervorgerufen werden.
Wenn der Rücken zwickt, die Hände taub werden, das Gesäß schmerzt – dann ist es Zeit für einen detaillierten Bikefitting-Prozess. Der Sattel, der Lenker und natürlich die richtige Rahmengröße spielen eine entscheidende Rolle, ob sich jemand wohl auf dem Rad fühlt oder tagtäglich über Beschwerden klagt.
Wo kann ich ein Bikefitting machen und wie lange dauert es?
Marco: Ein Statisches Bikefitting kann in der Regel jeder Fachhändler machen der die fachlichen Kenntnisse und die Produkte fürs Bikefitting vor Ort hat. In der Regel dauert ein Basic Bikefitting ca. 15 bis 30 min nach Aufwand und Kundenwunsch, dazu kommt noch das darauf folgende Beratungsgespräch. Etwas mehr Zeit muss man einrechnen, wenn es ein professionelles Bikefitting mit unserem bikefitting.com 3D Pedal Analyzer (Position Simulator) zur Information des Pedaltritt inkl. der individuellen Anpassung an die Fahrradposition und Dynamic Fit (3D-Sensorhochleistungskamera System) zur biometrischen Echtzeitanalyse der Körperbewegung werden soll.
Was sind die Vorteile eines persönlichen Fittings gegenüber einer Anleitung aus dem Internet?
Marco: Die optimale Sitzposition kann ich auch nachlesen, aber: Im Internet kursieren hunderte vermeintlich perfekter Einstellungen für deinen Sattel, deinen Lenker und deine Pedale. Ein Blick auf die Straße zeigt, dass wir alle unterschiedlich sind. Ein vertrauenswürdiger Fitter prüft deine individuellen Proportionen, den passenden Kraftaufwand und bezieht auch die Trainingsziele ins Fitting ein und vor allem ist der persönliche Kontakt mit dem Bikefitter gegeben.
Wenn es um das Thema Schmerzen geht, ist eine persönliche Beratung ohnehin empfohlen. Muskelkater oder Brennen in der Oberschenkelmuskulatur können nach intensiven Einheiten oder nach einer langen Radpause schon mal auftreten. Hast du jedoch während der Fahrt Probleme mit den Gelenken, Schmerzen im Rücken oder werden Füße und/oder Hände taub, solltest du deine Sitzposition dringend überprüfen lassen.
Was im Internet oft nicht mitgeteilt wird: Die einmal gefundenen Einstellungen durch Anleitung oder Fitter lassen sich nicht auf andere Räder übertragen. Schon gar nicht, wenn du die korrekte Einstellung für den Sattel deines Rennrads gefunden hast und diese auf ein Mountainbike übertragen willst. Sogar zwei Rennräder in derselben Größe, können sich in ihrer Geometrie stark unterscheiden.
Ein weiterer Mythos: Einmal richtig eingestellt, brauche ich kein Fitting mehr. Dabei ist Bikefitting ist ein Prozess. Denn dein Körper verändert sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit mit der Zeit. Deshalb solltest du zumindest nach einer Verletzung, aber auch, wenn du zu- oder abgenommen hast oder flexibler geworden bist (z. B. weil du mit Yoga angefangen hast) noch einmal zur Kontrolle gehen.
Vielen Dank Marco für die Erklärung!
Doch es sind nicht nur Einzelpersonen, die sich das Wissen rund um das Thema Bikefitting zu nutzen machen. Auch große Hersteller, wie beispielsweise SHIMANO, arbeitet bei der Entwicklung ihrer Fahrradhosen und Sitzpolster eng mit Spezialisten in diesem Feld zusammen.
Die richtige Sitzposition bestimmt das Fahrerlebnis, aber auch der Komfort zwischen sensiblen Verbindungen wie Sattel und Po muss passen. Daher haben sich SHIMANOs Entwickler für Trägershorts für die Zusammenarbeit mit den Profis von bikefitting.com entschieden und stellen sicher, dass für diesen so wichtigen Kontaktpunkt die bestmögliche Technologie zum Einsatz kommt. Das Team für Bekleidung und Zubehör kombiniert sein gesamtes Wissen hinsichtlich Sitzpolster, Materialien, Passform und Einsatzbereich mit der Erfahrung der Bikefitting-Experten in Bezug auf Sitzposition und Druckstellen.
Produktentwickler Katlijn Engelberts bringt uns dem Prozess etwas näher: „Dank dieser Zusammenarbeit können wir ein standardisiertes Bike-Setup verwenden, um für eine Menge unterschiedlicher (Träger-) Shorts den ersten Eindruck zu testen. Auf diese Weise wird es viel leichter, wirklich konsistente Daten zu erhalten. Durch das standardisierte Setup spielen für diese Testphase die sonst üblichen externen Faktoren wie Bike, Sattel oder Wetter und Fahrbedingungen nun keine Rolle mehr.“
„Wir stellen einfach das Setup von Bikefitting.com auf den jeweiligen Testfahrer/die jeweilige Testfahrerin ein und können so bei jedem Test die exakt gleichen Bedingungen wiederherstellen.“ Das ist deshalb wichtig, weil bei (Träger-) Shorts das kleinste Detail, das von Fahrer oder Fahrerin wahrgenommen wird, die Passform beeinflussen kann. Jede Naht, jede Gewebebahn und jeder Millimeter an Material spielen neben dem natürlich besonders wichtigen Sitzpolster hierbei eine Rolle. Und dank des bei jedem Test gleichen Setups können sich die Entwickler ganz auf diese Details konzentrieren. Dabei muss jeder der Testfahrer/jede Testfahrerin nur wenige Minuten auf dem Bike von bikefitting.com Platz nehmen, da vor allem der erste Eindruck und die Erfahrung interessieren. Dieses Feedback wird mit dem von jedem Fahrer/jeder Fahrerin erstellten Druckprofil ergänzt und der Kombination aus den getesteten Shorts. Auf diese Weise gleicht SHIMANO die Rückmeldungen der Fahrer/innen mit den Daten ab und erhält einzigartige und deutlich aussagekräftigere, wissenschaftliche Einblicke.“
Die gleiche Methode wird auch bei der Festlegung der jeweiligen Größe genutzt.
„Dank dieses Ansatzes fällt es uns leichter, die bestmögliche Passform zu finden. Wissenschaftliche Erkenntnisse erleichtern uns so die Realisierung eines wirkungsvollen Prozesses für Design, Entwicklung und Herstellung der optimalen Trägershorts“, ergänzt Katlijn.
Eine Liste mit bikefitting.com ausgestatteten Fachhändlern gibt es hier: https://www.bikefitting.com/de/find-us – Mache jetzt ein Bikefitting in deiner Nähe!
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