Seit nahezu vier Jahren bin ich in meinem Heimatdorf ehrenamtlich im Skiclub Ottensoos in Franken tätig. Mein Aufgabenbereich ist die Abteilung Fahrrad. Ich bringe den kleinen Fahrradhelden im Alter von 5-11 Jahren den sicheren Umgang mit dem Rad im Straßenverkehr bei. Ziel des Kurses ist es nicht, aus den kleinen Rackern Sportmaschinen zu züchten, sondern ihnen den spielerischen Umgang mit dem Fahrrad zu vermitteln. Dazu gehören auch Aktionen wie z.B. Reifenflicken oder Radtouren nach Hersbruck zur Eisdiele, an denen 10 bis 15 Kids teilnehmen.
Vor ein paar Wochen bekam ich einen Anruf von einem LKW-Fahrer aus dem Ort. Mark Schneider, meinte am Telefon, dass er die Aktionen der Radlgruppe gut findet und er anbieten könnte, mit seinem 40-Tonner inklusive Anhänger vorbei zu kommen, um den Kindern die Welt von dort oben zu zeigen.
Wow, tolle Idee, wann hat man schon mal die Chance, einen 40-Tonner LKW in einen Fahrradkurs einzubauen?

Fahrradkurs mit 40-Tonner?
Nach der kooperativen Bewältigung einiger verwaltungstechnischer Hürden war es am 28.9 so weit: Wir hatten vor, an jedem Tag zehn Kindern mit einem Elternteil die Möglichkeit zu geben, an dem „Fahrsicherheitstraining“ teilzunehmen. Das waren 90 Kinder und dazu 90 Erwachsene, also 180 Personen. Treffpunkt Wendehammer, einem Wendekreis und Parkplatz vor dem Dorf.
„Liebe Kinder“, so begann Mark, „ich fahre jeden Tag mit diesem großen LKW auf den Straßen, um Sachen von A nach B zu liefern. Jeden Tag erlebe ich gefährliche Situationen im Straßenverkehr. Situationen, die fast alle verhindert werden könnten, wenn die Menschen wüssten wie man sich in der Nähe eines LKWs verhält. Darum die wichtigste Lektion gleich am Anfang: Ich bin schlau und alle anderen Verkehrsteilnehmer sind doof!“ Bähm, das saß! Die Eltern bekamen große Augen, die Kinder lachten, aber so richtig anfangen konnte keiner etwas mit dem Spruch.

Mark fuhr fort und meinte: „Dieser LKW wiegt so viel wie zehn Elefanten. Hat schon einer mal von Euch einen Elefanten auf dem Fuß gehabt?“ Mit diesem Bild zog Mark die ganze Aufmerksamkeit der Kinder auf sich.
„Wisst Ihr“, sagte Mark, „wenn Ihr heute von uns gezeigt bekommt, wo man sich bei einem LKW gefahrenlos aufhalten kann und wo nicht, so seid Ihr schlau! Diejenigen, die es nicht wissen sind leider doof! Aber wenn Ihr heute schlau nach Hause geht, dann könnt ihr anderen dabei helfen, auch schlau zu werden.“
Lektion 1: Mark setzte ein Kind auf den Fahrersitz und entfernte sich mit der Gruppe nach und nach so weit nach vorne, bis die Kinder endlich ihren Kameraden im Führerhaus sehen konnten – und umgekehrt. Die überraschende Erkenntnis: Erst nach 8-10 Meter konnten man sich sehen.
Deshalb: Niemals vor einem LKW stehen bleiben, sonst wird man übersehen!

Wen siehst Du? Niemanden!
Anschließend ging es zur Beifahrerseite, wo Mark ein Absperrband um den großen Spiegel herumgezogen hat. Damit hat er ein großes Dreieck gemacht. In dieses Dreieck sollten sich dann alle Erwachsenen und die Kinder stellen. Als alle da drin standen rief Mark dem Kind auf dem Fahrersitz zu: „Na, wen siehst Du?“ „Niemanden“, rief das Kind zurück. „Aber da sind doch Spiegel“, meinte Mark. „Ja, das stimmt, aber da sehe ich auch niemanden! Gar keinen sehe ich.“
Mark bat dann das Kind aufzustehen und zum Beifahrersitz rüber zu hüpfen. Als das Kind zum Fenster schaute war es absolut verblüfft, da es trotz der drei Spiegel keinen Menschen rechts vorne sehen konnte. Wahnsinn!
Marks Botschaft an die Kinder: „Wenn Ihr, egal wo ihr am LKW seid, den Fahrer seht, dann sieht er auch Euch!“

Danach ging es weiter nach hinten Richtung Anhänger und zu weiteren Positionen links, rechts und neben dem LKW. Alle Punkte wurden abgearbeitet und bildlich den Kindern gebracht, wo sie sich in Sicherheit aufhalten können und wo keinesfalls.
Nach den Erklärungen durfte ein Kind nach dem anderen eine Runde im Führerhaus des LKWs mitfahren. Beim ersten Kind hat Mark noch ein Verkehrshütchen mit ca. einem Meter Abstand neben den LKW gestellt.
Er meinte dann zu den Kindern: „Schaut Euch mal bitte dieses Hütchen an, wenn ich los fahre. Stellt Euch vor, ihr steht am Straßenrand mit Eurem Fahrrad und der LKW biegt nach links ab.“
Er stieg ein und fuhr langsam los. Er musste aus dem Wendehammer nach links auf die Straße abbiegen, der Anhänger scherte aus und rollte komplett über das Hütchen.
Aufpassen – der LKW schert aus!
Als der zurückkam meinte Mark, die Kinder sollten aufpassen, was passiert, wenn er mit dem LKW nach rechts wieder in den Parkplatz abbiegt. Der LKW fuhr langsam auf der Straße, Mark setzte den Blinker nach rechts, bremste langsam ab und der LKW zog auf einmal nach links, um genügend Platz fürs Rechtsabbiegen in den Wendehammer zu finden.
„So“, meinte Mark, „was war mit dem Hütchen?“ „Na, das hast Du umgefahren“, sagte eines der Kinder. „Richtig, das habe ich leider umgefahren. Und wisst Ihr wo sich das Hütchen befunden hat? Na genau da, wo ihr auf keinen Fall stehen dürft! Bitte merkt Euch das, damit ihr sicher seid.“

Fazit
Wenn wir es schaffen, nur ein Kind aus einer Gefahrensituation raus zu halten, dann haben wir bereits gewonnen! Es passieren viel zu viele Unfälle auf den Straßen, bei denen leider Menschen schwer verletzt werden oder sogar sterben. Deshalb, denkt daran: „Ich bin schlau und alle anderen im Straßenverkehr sind dumm!“
Die Resonanz auf die Aktion war übrigens so positiv, dass sogar der bayerischen Rundfunk ausführlich darüber berichtet hat.
Toter Winkel, das ist bei mir auch so;)
Martin
Hallo Axel,
Du schreibst selbst „so gut wie keine…“ aber es gibt sie. Gerade beim MAN ist das Thema A-Säule ein grosses. Sieht man in Deinem Video ja auch ganz toll. Und doch, es hat was mit dem Abbiegevorgang zu tun: innerstädtisch ist der Bereich hinter der A-Säule oft der, wo sich die Fussgänger aufhalten wenn wir gemeinsam an der Ampel stehen. Damit ist er für uns schwer zu sehen und dies führt zu Gefahrensituationen. Was ich in diesem Zusammenhang immer wieder traurig finde ist, dass hier versucht wird irgendwie Schuld hin und her zu schieben. Darum ging es bei der Aktion aber nie. Es ging darum zu sensibilisieren und einen anderen Blickwinkel aufzuzeigen. Denn am Ende des Tages ist die Schuldfrage völlig egal, wenn ein Mensch unter dem Fahrzeug liegt. Das macht ihn nämlich nicht wieder lebendig. Und nur das ist die Message die wir vermitteln wollten. Wir alle waren schon in komischen Situationen in denen wir froh waren, dass der andere ein kleines bisschen mehr aufgepasst hat. Und das ist es, was das Miteinander ausmacht. Nicht das ausseinanderklauben wer jetzt wann wie wo welchen Fehler vielleicht hätte nicht machen können oder sollen. Wenn Dir die Sonne in die Spiegel brennt ist egal wie die eingestellt sind oder wie groß die A-Säule ist. In dem Moment ist man blind. Ein unbeleuchteter, reflektorloser Mensch im dunkeln am Strassenrand lässt Dich Chancenlos zurück. Es geht ums MITEINANDER im Verkehr.
Grüße in den Löwen und halte die Stoßstange sauber!
Mark
Und mal vorher die Spiegel eingestellt? Um meine Lkw herum habe ich keinen toten Winkel
Hallo Uli, ja die Spiegel waren alle richtig eingestellt. Es ist tatsächlich so, dass man vorne rechts einen sehr großen toten Winkel hat. Dieser LKW hat sogar 3 Spiegel, die alle richtig eingestellt sind. Ich konnte das zunächst auch nicht glauben, aber als ich es gesehen hab war ich sehr erstaunt.
Ein LKW mit nur 3 Spiegeln? HAHAHAHAHA…
Es gibt am Lkw so gut wie keinen Toten Winkel mehr. Das der abgebildete MAN am rechten Aussenspiegel einen großen Toten Winkel besitzt bestreite ich hier nicht, da ich selber einen fahre. Hat aber rein gar nichts mit dem Abbiegevorgang zu tun.
https://www.youtube.com/watch?v=oIS_faQwKso