… oder um es mit den Worten von Bilbo Beutlin aus „Der Hobbit“ zu sagen: Hin und zurück. Zwischen Garmisch-Partenkirchen und Riva del Garda gibt es einfach so viele traumhafte Gebirgspässe, dass mein Mann und ich uns dazu entschlossen haben, die Alpen gleich zwei Mal zu überqueren – hin und zurück.
Mit dem Fahrrad über die Alpen – viele fragen sich wahrscheinlich: Urlaub? Wo bleibt denn da die Erholung? Aber es geht ja nicht immer ums „Höher, Schneller, Weiter“, sondern auch darum innezuhalten und den Moment zu genießen.
Und genau das sind für uns solche Momente. Wer das Radfahren und die Berge liebt, für den gibt es keine bessere Kombination. Auf dem Rad lässt es sich einfach wunderbar abschalten, man kann die Natur mit seinen sagenhaften Panoramen genießen, die Seele baumeln lassen, Sport treiben und das Allerbeste:
Abends die Energiespeicher mit den regionalen Leckereien wieder auffüllen.
Da wir auch im Alltag und an den Wochenenden viel mit dem Rennrad unterwegs sind, war die geplante Strecke mit jeder Menge Höhenmeter zwar eine Hausnummer, aber dennoch gut machbar.
Nach jahrelangem Pendeln in Fernzügen und S-Bahnen sind wir glücklich, nun jede Gelegenheit nutzen zu können, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder die Heimat zu erkunden. Im Sommer mit dem Rennrad und im Winter mit dem Gravelbike.
Aufgrund der Topographie haben wir für die doppelte Transalp unsere Gravelbikes gewählt, da die Übersetzung für die Anstiege und die Scheibenbremsen für die Abfahrten der Alpenpässe etwas komfortabler sind.
Lediglich die breiten Gravelreifen wurden durch schmalere Rennradreifen getauscht. In Sachen Gepäck haben wir uns natürlich auf das Notwendigste beschränkt.
Wie heißt es so schön: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Wer Hab und Gut aus eigener Kraft den Berg hochfahren muss, der verzichtet leicht auf unnötiges Gepäck. Und das Tolle dabei – es wird einem bewusst, dass man eigentlich gar nicht so viel benötigt, wie man immer denkt. Für die zehn Tage hatte jeder von uns einen Rucksack mit rund acht Kilogramm.
Die Route war geplant. Für insgesamt zehn Etappen, die im Schnitt rund 90 Kilometer und 2.000 Höhenmeter hatten, haben wir zwölf Tage eingeplant. Die Übernachtungen haben wir erst kurz vorher gebucht, so dass wir ganz spontan auf das Wetter reagieren und bei Bedarf auch einen Ruhetag einlegen konnten, welchen wir aber nicht benötigt und dann einfach hinten angehängt haben
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1. Etappe Transalp: Auf die Plätze, fertig, los!
Als Ausgangspunkt haben wir einen der klassischen Startpunkte für eine Transalp ausgewählt: Garmisch-Partenkirchen.
Von dort aus ging die erste Etappe über das Kühtai in den Stubaier Alpen hinunter nach Oetz ins Ötztal. Auf dem Weg in das auf 2.020 Meter hoch gelegene Ski-Resort wäre der Milchautomat inklusive Kakaopulver das perfekte erste regionale Schmankerl gewesen, leider hatten wir aber nicht das passende Kleingeld mit dabei.
Dafür gab’s im Tal die erste Lemon Soda.
2. Etappe: Kaiserwetter und Kaiserschmarrn
Von Oetz ging es über die Piller Höhe mit traumhaftem Blick ins Inntal weiter über einen kurzen Abstecher in die Schweiz.
Über die Norbertshöhe erreichten wir dann in Nauders unseren nächsten Stopp. An diesem Sonntag war zufällig da Women’s Mountainbike Camp am Reschensee zu Ende, so dass uns die Veranstalter und Aussteller an diesem Nachmittag an der Passhöhe entgegenkamen.
Wie klein die Welt doch manchmal ist. Angekommen in der schönen Unterkunft mit Bergpanorama wurden die verschwitzten Radklamotten gewaschen, bevor es in den Wellnessbereich zum Relaxen ging.
3. Etappe: Ciao Bella Italia
Endlich über die Grenze nach Bella Italia. Nach dem kurzen Anstieg über den Reschenpass ging’s an der Etsch entlang den Vinschgau hinab.
Immer wieder beindruckend: der Blick vom Reschensee auf das Ortler Dreigestirn mit Königspitze, Monte Zebrù und Ortler, der mit seinem gewaltigen Gletscher und 3.905 Metern höchste Berg der autonomen Provinz Südtirol.
Transalp – Die nackten Zahlen
Etappen | 10 |
Kilometer | 920 |
Höhenmeter | 20.397 |
Fahrtzeit gesamt | 49 Stunden |
Längster Anstieg Kilometer | 28 (Timmelsjoch) |
Längster Anstieg Höhenmeter | 1.844 (Stilfser Joch) |
Höchster Punkt | Stilfer Joch 2.758 s.l.m. (Höchster Gebirgspass Italiens) |
Steilster Anstieg | Kreuzlehn Stick Kühtai 205 (129hm, 1km) |
Verbrannte Gesamtkalorien | 45.162 |
Materialverschleiß | Reifen & Helmpolsterung |
Reisewaschmittel | 1 Tube |
Gegessene Pizzen | 12 |
Getrunkene Lemon Soda | > 40 |
Schweißtropfen | unzählige… jeder einzelne hat sich gelohnt |
Glücksmomente | unzählige 🙂 🙂 🙂 |
In Prad am Stilfser Joch wurden die Getränkevorräte noch einmal aufgefüllt, um den 25 Kilometer langen Anstieg mit insgesamt 48 Kehren auf das Stilfser Joch anzugehen. Und wir waren echte Glückspilze.
Aufgrund der Schneelage hatte der Pass erst ein paar Tage zuvor geöffnet. Die Räummaschinen hatten wenige Tage zuvor noch ganze Arbeit geleistet, um die Passhöhe von den Schneemassen zu befreien.
Ein weiterer Glücksfall war der geringe Verkehr, so dass wir zwischenzeitlich ganz allein unterwegs waren.
Nach einer kurzen Stärkung und dem obligatorischen Bild vor der Passtafel waren wir bereit, die traumhafte Abfahrt nach Bormio in Angriff zu nehmen.
Durch wunderschöne Serpentinen und kleine Tunnel ging es hinab in die italienische Provinz Sondrio. Umso weiter wir ins Tal hinab kamen, umso wärmer wurde es und Windjacke und Handschuhe konnten wieder in den Rucksack wandern.
Von dort aus waren es noch rund 15 Kilometer und 500 Höhenmeter nach Santa Caterina in Valfurva. Der Ausgangsort für die nächste Etappe, direkt am Gaviapass gelegen.
Nach der Wintersaison und vor der Bike-Saison ist in diesem kleinen Skiort kaum etwas los. Viele Hotels und Geschäfte haben geschlossen. Perfekt also, wenn man Ruhe genießen möchte.
Schlecht für knurrende Mägen. Da alle Supermärkte dicht hatten, mussten wir bis zum Abendessen noch ein paar Stunden ausharren, wurden dann aber mit einem typischen italienischen Menü verköstigt: Antipasti, primo und secondo piatto sowie dolce.
Dass wir alles aufgegessen haben, versteht sich von selbst.
4. Etappe: Winterwonderland
Das Stilfser Joch ist, nicht nur für jeden Radfahrer, schon ein Highlight, aber zu den schönsten Etappen unserer Transalp zählt auf jeden Fall die über den Passo di Gavia, den Passo del Tonale und den Passo Campo Carlo Magno in den mondänen Skiort Madonna di Campiglio.
Der Nationalpark Stilfser Joch hat einfach alles zu bieten. Wunderschöne, grüne Täler bis hin zu meterhohen Schneewänden mit zahlreichen 3.000er-Gipfeln rundherum, so dass man aus dem Staunen kaum noch herauskommt. Die gewaltigen Gebirgspässe aus eigener Kraft zu erklimmen zeigt einem immer wieder, wie überwältigend die Natur und wie
klein man selbst ist.
Die Abfahrt des Gaviapass ging über den weitaus steileren Anstieg hinunter in den Regionalpark Adamello, ein Naturpark in den Südalpen in der italienischen Provinz Brescia in der Lombardei.
Dort führte auch eine Etappe des Giro d’Italia vorbei, dessen Plakate immer wieder am Streckenrand zu sehen waren.
Mit den ersten Tropfen eines heftigen Regenschauers sind wir im Hotel angekommen – perfektes Timing. Nach einer warmen Dusche hatte sich auch das Gewitter verzogen, so dass Madonna di Campiglio mit seinen bekannten Skipisten noch ein wenig erkundet werden konnte.
5. Etappe: Halbzeit
Vom auf 1.550 Meter hoch gelegenen Skiort ging es über die nicht so bekannten, aber dennoch landschaftlich sehr schönen Pässe Daone, Durone und del Ballino nach Riva del Garda – dem Zielort für die meisten Alpenüberquerer.
Da wir dort aber schon im Jahr zuvor einige Tage verbracht hatten und das noch lange nicht das Ende unserer Tour war, ging es weiter nach Trient.
Dort haben wir das so genannte „Dolce Vita“ genossen, bei dem Pizza und Gelato natürlich nicht fehlen durften.
6. Etappe: Transalp-„Überführungsetappe“
Nachdem wir bereits die Apfelplantagen im Vinschgau hinter uns gelassen hatten, ging es durch die herrliche Weinregion des Cembratal weiter über das Fleims- und Fassatal nach Canazei.
Unser Startpunkt für die bekannte Sella Ronda.
7. Etappe: Sella Ronda
Hier hatten wir wettertechnisch leider nicht so viel Glück. Einige Regenwolken haben uns auf der Runde begleitet.
Anfangs sind wir noch trocken geblieben, bis wir zwischenzeitlich doch zwei Pausen einlegen mussten. Der letzte Regenschauer wollte gar nicht vorüberziehen, so dass wir den letzten Anstieg hinauf zum Sellajoch schließlich unter dem Motto „Augen zu und durch“ hochpedaliert sind.
Auch der Giro d‘ Italia war zu Gast Sella Ronda bei Regen
8. Etappe: Abwarten und Tee trinken
Nach den über 2.500 Höhenmetern vom letzten Tag stand an diesem Tag eine kürzere und erholsame Etappe von Wolkenstein nach Freienfeld bei Sterzing an.
Da wir keinen Zeitdruck hatten, konnten wir die Regenfront in einem netten Restaurant über uns hinweg ziehen lassen und bestens gestärkt die letzten Kilometer dieser Etappe absolvieren.
Wie fast überall wurden wir in Freienfeld super freundlich empfangen und konnten sogar unsere Räder vom Schmutz der beiden letzten Tage befreien und die Kette für die Königsetappe am nächsten Tag frisch ölen.
9. Etappe: Transalp-Königsetappe
Unsere Königsetappe am vorletzten Tag führte uns über den Jaufenpass und das Timmelsjoch, mit insgesamt 3.320 Höhenmetern auf rund 120 Kilometern, wieder vorbei an zum Teil hohen Schneewänden, von Südtirol zurück nach Österreich nach Umhausen im Ötztal.
10. Etappe: Finale Grande
Nach einem ausgiebigen Frühstück mit herrlichem Bergpanorama und bei Kaiserwetter ging’s auf zur letzten Etappe zurück nach Garmisch-Partenkirchen.
Unsere nicht benötigten Ruhetage haben wir spontan hinten angehängt und uns bei den steigenden Temperaturen im Wildmoossee in Seefeld in Tirol Abkühlung verschafft.
Ein perfekter Abschluss einer traumhaften Transalp.
Axel Hupertz says
Toll beschrieben und fotografiert! Das macht Lust, die Tour nachzufahren.. ist sie nach all den Jahren noch auf Komoot und wie finde ich sie dort?
Viele Grüße
Axel
Silvia Schöner says
Hallo Axel,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, die Tour ist immer noch auf Komoot zu finden. Hier der Link:
https://www.komoot.com/de-de/tour/312007334?ref=itd
Viel Spaß beim Nachfahren.
Viele Grüße
Silvia
Patrick M. says
Ein sehr sehr schöner und lesenswerter Artikel.
Die Radtour is der Wahnsinn selbst ich plane schon seit letztem Jahr eine Tour zu machen am Stilfser Joch was wir hoffentlich dieses Jahr machen können.
Jetzt habe ich den Gedanken diese Tour anders zu gestalten da micheure Tour sehr inspiriert hat.
Ist es möglich das Sie mir Ihre Tourenplanung plus die Hotels wo ihr übernachtet habt per Email zu kommen lasst?
Wäre euch sehr dankbar
Mit freundlichen Grüßen
Patrick
Ivo says
Sehr inspirierend, vielen Dank für den tollen Bericht und die schönen Fotos – da möchte man sofort aufs Rad steigen und losfahren. “Nach der Wintersaison und vor der Bikesaison“ – wann in 2019 habt ihr die Fahrt gemacht?
Fernwehgrüße aus Hamburg
Ivo
Silvia Schöner says
Hallo Ivo,
vielen Dank für deinen netten Kommentar. Wir sind am 15. Juni gestartet. Durch den vielen Schnee waren einige Pässe bis in den Juni noch geschlossen. Wir hatten Glück, die Stilfser Joch Passstraße wurde drei Tage zuvor geöffnet. Der Vorteil war, dass dadurch noch recht wenig Verkehr war und man, wie z. B. auch auf dem Gaviapass, noch eine wunderschöne Winterlandschaft zu Gesicht bekam. Wir können es auch kaum erwarten wieder eine solche Tour machen zu können 😉
Viele Grüße nach Hamburg,
Silvia
T. Richter says
Guten Tag
Ganz tolle Tour. Ich bin schon ganz neidisch.
Leider kann man die Tour in Komoot nicht anschauen, weil sie dort auf „privat“ gestellt ist°!? Es wäre toll, wenn sie doch noch „öffentlich“ und damit zugänglich wäre.
MfG T. Richter Weimar
Silvia Schöner says
Hallo Herr Richter,
vielen Dank für die Nachricht und den Hinweis. Die Tour sollte jetzt auf Komoot sichtbar sein.
Viele Grüße
Silvia