Mein Name ist Thomas Dziallas und ich bin jetzt seit fast 15 Jahren bei Paul Lange in Stuttgart tätig. Da ich selbst aus Leidenschaft gerne, viel und auch weite Strecken mit dem Rad fahre, bin ich sehr froh, hier in dem Unternehmen als Brand Manager für die US-Marke PEARL iZUMi zu arbeiten.
Vor vielen Jahren schon entdeckte ich das größte Inselparadies Indonesien als Reiseziel für mich, natürlich immer – wie ich es so sehr mag – aus dem Blickwinkel des Fahrrades. Letztes Jahr ging es in das Tropenparadies Sulawesi mit meinem „Silberblitz“.
Der Silberblitz ist mein geliebtes Giant ToughRoad Fahrrad, das ich seit 2 Jahren fahre. Es hat eine 11-Gang SHIMANO SLX-Gruppe.
Sulawesi, eine indonesische Insel zwischen Borneo und Neuguinea, entdeckte ich auf einer alten Idee Cafe Dose von meiner Oma, welche seit Jahren in meiner Küche steht.
Schon immer war ich von der Form der Insel fasziniert, die an eine Orchideen-Blüte erinnert und damals noch als Celebes bekannt war. Meine Abenteuerlust war geweckt und so machte ich mich mit meinem Fahrrad, dem „Silberblitz“, noch während der jährlichen Hausmesse von Paul Lange auf die Reise.
Ein Dreamliner von Turkish Airlines brachte mich und meinen „Silberblitz“ von Stuttgart via Istanbul nach Jakarta und von da weiter mit Garuda Airlines nach Makassar, einer Hafenstadt im Süden von Sulawesi.

Die einzigartige Form der Insel machte die Planung meiner ungefähren Route zu einer echten Herausforderungen, aber kurz vor Beginn hatte ich die wichtigsten Orte und Anlaufstellen auf meiner Karte markiert. Doch nur ein einziges Wort auf dem Weg nach Sulawesi sollte all diese Vorausplanungen über den Haufen werfen.
Komplett mit mir selbst beschäftigt, weil ich am Gate vom Jakarta Airport beim Geldabheben meine Mastercard vergessen hatte, vernahm ich nur beiläufig die Gespräche der Einheimischen und immer wieder das Wort „Tsunami“.

Ich machte mir aber keine weiteren Gedanken, da ich auch nicht verstanden hatte, in welchem Zusammenhang das Wort „Tsunami“ erwähnt wurde. So gut sind meine Indonesisch-Kenntnisse dann doch noch nicht. Ich wusste aber nur zu gut was Tsunami bedeutet, denn diese Erfahrung hatte ich ein Jahr zuvor mit dem „Silberblitz“ auf einer Tour durch die Provinz Banda Aceh, ganz im Norden von Sumatra, gemacht.
Dort traf wohl der bisher schwerste Tsunami, den es in dieser Provinz je gegeben hatte. Allein Indonesien hatte über 180.000 Todesopfer zu beklagen. Das war echt hart und ich war damals unglaublich emotional aufgewühlt von der enormen Zerstörung und den vielen Toten.
Bei allem Leid, das die Katastrophe von Aceh über die Menschen brachte, wirkte sie sich in einem Punkt positiv aus: Die bis dahin sehr blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den örtlichen Widerstandskämpfern, welche die Unabhängigkeit von Aceh anstrebten, wurde beendet und es kam zu sofortigen Friedensverhandlungen.

Fürs erste verdrängte ich meine Befürchtungen. Als ich endlich, nach über 24 Stunden Anreise, auf Sulawesi in meinem kleinen Hotel in Makassar ankam, war Schlaf mein einziger Gedanke. Trotzdem warf ich noch einen kurzen Blick ins Handy und wurde durch WhatsApp-Nachrichten von meinen Geschwistern, Nachbarn, Kollegen und Freunden schier erschlagen. Ich fragte mich, was die wohl alle von mir wollen? Ich bin doch nur ein paar Tage weg von zu Hause und mache eine kleine Radrundreise durch Sulawesi.
Und in genau diesem Augenblick wurden meine verdrängten Befürchtungen zur Realität. Während meines Zwischenstopps in Jakarta hatte es ein schweres Seebeben in der Straße von Makassar, eine Meerenge zwischen Borneo und Sulawesi, gegeben. Dadurch wurde ein gewaltiger Tsunami ausgelöst.
Dieser doppelten Naturkatastrophe fielen über viertausend Menschen zum Opfer und sie sollte mich die ganze Reise über begleiten. Statt süßer Träume wurde meine erste Nacht auf Sulawesi zum absoluten Alptraum und ich bekam kein Auge zu.
Zuerst war ich noch so naiv zu meinen, dass ich trotzdem nach Palu fahren kann. Aber nachdem ich die ersten Bilder im TV gesehen hatte, wusste ich: Dort herrscht absolutes Chaos und ich würde mich selbst in Lebensgefahr bringen. Denn der Tsunami hatte mein Reise-Highlight komplett zerstört.
Um meinen lieben Menschen zuhause die Sorgen zu nehmen, setzte ich über Facebook eine Nachricht ab, dass ich in Sicherheit bin und es mir gut geht.

Durch diese Horror-Nachrichten war meine Müdigkeit komplett vergessen. Ich nahm mir meine Sulawesi-Karte vor und überlegte, wie ich die Gegend um Palu umfahren kann. Ich hatte mich schon so auf diese Stadt gefreut, denn sie liegt in einer traumhaft schönen Bucht. Doch diese Katastrophe ließ mir keine andere Wahl als Palu aus meiner Reiseplanung zu streichen.
So beschloss ich einen Tag an der Westküste in Richtung Norden entlang zu fahren und mehr oder weniger spontan den direkten Weg über die Berge bis zur Ostküste zu nehmen. Nach zwei Tagen schaute ich mir im indonesischen Fernsehen keine Nachrichten über Palu mehr an. Ich konnte diese Bilder einfach nicht mehr ertragen und nach fünf Tagen wäre ich am liebsten nach Hause geflogen.
Ich war so froh, dass ich mir meine emotionalen Gefühlsausbrüche auf dem „Silberblitz“ von der Seele strampeln konnte. Ganz nach dem Motto Der Weg ist das Ziel bin ich in nur vierzehn Radtagen ohne Pause von Makassar, ganz im Süden von Sulawesi, bis Manado, ganz im Norden der Insel, geradelt. 1.800 Kilometer in zwei Wochen!

Ich wollte auf meiner Expedition unbedingt nach Tomohon in den Minahasa-Highlands zu Adelheid und Manfred. Die beiden lernte ich durch meine Indojunkie-Facebook-Gruppe kennen. Anscheinend habe ich dort mittlerweile eine kleine „Silberblitz“-Fangemeinde, die immer ganz sehnsüchtig auf meine Zeilen und Fotos warten.
Adelheid kommt ursprünglich aus Java, Manfred aus der Nähe von Stuttgart. Sie sind das Winterhalbjahr immer in ihrem Garden Eden bei Tomohon. Manfred verfolgte meinen Trip von Anfang an und meinte zu Adelheid, diesen „verrückten“ Radfahrer müssen wir zu uns einladen.

Nach vierzehn Tagen purem Sonnenschein, weinte sich der Himmel über Sulawesi nun aus und er hatte auch allen Grund dazu. Mir war auch oft nach Weinen zumute. Denn immer und immer wieder traf ich Menschen aus Palu und deren Geschichten übertrafen alle meine Vorstellungen. Trotzdem waren sie so unglaublich tapfer!
Das gab mir auch die Kraft, mich jeden Tag von neuem auf meinen „Silberblitz“ zu schwingen und meine Tour zu Ende zu bringen. Nach der Fahrt mit ständigem Kampf gegen den Regen von Manado nach Tomohon und etwa sechzig Kilometer nur bergauf, war ich durchgefroren. Da oben auf ca. 1.500 Metern sanken die Temperaturen auf nur noch 15°C.

Aber zum Glück wurde ich bei Ankunft von Adelheid und Manfred mit einer schwäbischen Flädlessuppe begrüßt und durfte vier traumhaft schöne Tage bei den beiden verbringen. Von unserem Frühstückstisch aus konnte ich jeden Morgen auf einen der aktivsten Vulkane der Insel, Lokon-Empung – „den Rauchenden“, schauen.
Da wollte ich unbedingt als nächstes rauf, auch wenn ich keine passenden Schuhe dafür hatte. Doch der SHIMANO MT7 hat diese Prüfung bestanden. Vor dem Aufstieg mussten wir uns das okay der Vulkanüberwachungsstation geben lassen, die auch das Erdbeben vor Palu aufgezeichnet und die Tsunami Warnung ausgerufen hatte. Sie zeigten uns die Aufzeichnungen des Erdbebens und waren ganz still dabei… alle hatten Tränen in den Augen.
Meine Geschwister konnten es nicht glauben, dass ich mich freiwillig an einen hochaktiven Vulkan heranwagen wollte. Doch die Vulkanbesteigung war eines der Highlights meiner Reise! Der Abstieg gestaltete sich danach noch recht abenteuerlich. Das Wetter schlug um, die Wolken öffneten ihre Schleusen und der Pfad aus Lavagestein wurde zum Flussbett. Ich kroch auf allen vieren hinunter, weil ich absolut keinen Halt hatte und heil unten ankommen wollte.

Ursprünglich wollte ich auch die gesamte Strecke von Manado bis Makassar wieder zurück mit dem „Silberblitz“ radeln, war aber wohl ein klein wenig zu optimistisch bei meiner Planung. Die Zeit wurde knapp.
Ich entschied mich spontan einen Transferflug von Manado nach Zentral-Sulawesi zu buchen. Dabei habe ich ganz zufällig in Manado das Reisebüro Safari Tour & Travel entdeckt, welches auch in meinem Reiseführer sehr empfohlen wird.

Das spannende bei der Flugbuchung war, dass man mir nicht zusagen konnte, ob auch mein „Silberblitz“ transportiert werden könne. Doch dies war für mich natürlich essentiell wichtig, was ich dem Mitarbeiter auch zu verstehen gab. Ich bekam endlich das Okay, nachdem ich den Chef der Airline kontaktiert hatte.
Gerade als ich mich auf den Weg machen wollte, sprangen plötzlich alle Mitarbeiter auf und stürzten aus dem Büro. Einer rief mir „Earthquake“ zu und ich ließ alles stehen und liegen und rannte den anderen hinterher auf die Straße. Ich war erstaunt, wie gelassen die „Locals“ dies nahmen, auf Indonesien ist es anscheinend normal, wenn irgendwo die Erde wackelt oder ein Vulkan Lava spuckt.

Die Menschen hier machen sich darüber keine Gedanken mehr. Denn die Natur ist einfach immer stärker und zeigt uns unsere Grenzen auf. Am nächsten Morgen sollte es kurz nach vier Uhr mit dem Flieger losgehen. Ich schlief recht unruhig, weil ich mir viele Gedanken machte, ob alles gut geht.
Mich brachte ein guter Freund von Adelheid und Manfred zum Flughafen. Mein „Silberblitz“ wurde ohne Probleme eingecheckt und die Lion Air setzte mich in Polopo – Zentral-Sulawesi ab. Hier war es gefühlt 10 °C wärmer als im Norden, aber das war mein Glück. Alles ab dreißig Grad ist meine Wohlfühltemperatur und macht mir auch auf dem Rad nichts aus.
Im Hotel schaute mir die halbe Belegschaft beim Zusammenbau vom „Silberblitz“ zu und wollte auch immer helfen. Bis Makassar hatte ich jetzt noch knapp 900 Kilometer vor mir und zweieinhalb Wochen Zeit.

Die Strecke führte fast immer direkt am Meer entlang, was ich ja eigentlich so sehr liebe. Doch nach dem verheerenden Tsunami wollte ich nicht im Meer schwimmen oder meine geliebten langen Strandspaziergänge machen. Erst gegen Ende meiner Reise ganz im Süden konnte ich mich dann langsam und behutsam wieder mit dem Meer versöhnen.
In Sinjai, einem kleinen Dorf im Südosten Sulawesis, wurde ich wieder auf eine Nervenprobe gestellt. Ich lag schon in meinem Hotelbett, war nach einem langen Tag gerade am Einschlafen, als es an der Zimmertür klopfte. Ein Mann, den ich vorher noch nie gesehen hatte, stand vor der Tür.
Er redete auf Indonesisch auf mich ein aber so gut war mein indonesisch dann doch nicht, um ihn zu verstehen. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass ich ihn nicht verstehe und was er denn von mir möchte.

Dann sagte er nur „Lobby“ und mir kam gleich mein „Silberblitz“ in den Sinn. Denn der stand genau dort. Mir fuhr gleich ein Schreck durch die Glieder aber mit dem Fahrrad war alles gut. In der Lobby warteten drei Herren auf mich. Einer sprach zum Glück gut Englisch. Der gut englisch sprechende, stellte sich als Vertreter der örtlichen Regierung vor und die anderen beiden waren vom Militär bzw. Geheimdienst.
Den Mann vom Militär erkannte ich sogar wieder, ihn hatte ich bereits tagsüber am Markt gesehen. Ich saß in einer Schneiderei und war zum Kopi Susu (Milchkaffee) eingeladen. Da kam er rein und gab Militärklamotten zum Ausbessern ab. Er war mir da schon ganz unsympathisch, stellte mir die ganze Zeit merkwürdige Fragen: Was ich denn überhaupt in Indonesien bzw. Sulawesi vorhätte, warum ich mit Fahrrad und ganz allein unterwegs wäre, in welchem Hotel ich sei und so weiter.
Und nun standen genau dieser Mann und seine zwei Kollegen vor mir, mitten in der Hotel-Lobby. Ich war im ersten Augenblick ziemlich platt. Was die wohl von mir wollten? Und dann ging die Fragerei erst richtig los.

Ich war hundemüde und wollte eigentlich nur schlafen. Doch die Herren wollten so wirklich alles über mich wissen. So hatten sie bereits meinen Pass bei der Rezeption abfotografiert.
Ich war über mich selbst erstaunt, in so einer skurrilen Situation die Ruhe bewahrt zu haben. Aber genau das ist immer das Beste in solchen Momenten. Aus meiner Indojunkie-Facebook-Gruppe erfuhr ich dann einen Tag später, dass es einem weiteren Reisenden in der Gruppe genau so erging. Er fand heraus, dass der Vizepräsident von Indonesien aus Sinjai kommt und die Sicherheitskräfte hier wohl etwas sensibler sind.
Zudem bekommt Sinjai bestimmt nicht so oft Besuch von einem Radfahrer aus Deutschland, das weckt natürlich Interesse.

Mein nächstes Ziel sollte Bira, ein Tauchparadies mit traumhaften Stränden ganz am Südzipfel vom Celebes, werden. Insbesondere meine Seele und mein Gemüt sehnten sich nach dieser emotional so anstrengenden Reise nach Ruhe.
Dank der vielen Begegnungen mit Menschen aus Palu, ihren Geschichten und dem, was sie erlebt bzw. überlebt haben, wurde ich mir wieder darüber klar, wie klein und unwichtig unsere „Probleme“ oftmals sind.

Ich bin so froh, nicht aufgegeben zu haben, so dass ich all diese Menschen treffen und an ihrem harten Schicksal teilhaben durfte. Ich werde bestimmt bald wieder nach Sulawesi reisen und unter anderen die liebenswerte Pastorenfamilie aus Palu mit ihren beiden Kindern besuchen.
Der Sohn der Pastorenfamilie war der einzige seiner Klasse, der den Tsunami überlebte. Er versuchte, sein unfassbares Trauma mit Musik zu bewältigen. Er spielte nonstop Saxophon…Ich versprach seinen Eltern, wieder nach Sulawesi zu kommen, und ich halte meine Versprechen. Viele Tränen sind auf dieser Reise geflossen…
Schreibe einen Kommentar