Schon lange bevor ich bei Paul Lange & Co. im Technischen Kundenservice zu arbeiten anfing, bin ich dem Genre „Steampunk“ verfallen.
Dabei baue ich aus antiken Teilen Kunstwerke im Steampunk-Style und versuche die verwendeten Teile in anderer Funktion zu verwenden, als sie ursprünglich vorgesehen waren.
So habe ich zum Beispiel meinen alten Gitarrenverstärker in ein altes Nähmaschinengestell von 1905 integriert.
Viele weitere Projekte dieser Art im Steampunk-Style sind zum Teil schon fertig, befinden sich noch im Bau oder sind erst in Planung.
Wie sich meine Steampunk-Fähigkeiten bei Paul Lange herumsprachen
All dies hatte sich schnell bei Paul Lange & Co. herumgesprochen, insbesondere in meiner Abteilung beim Technischen Kundenservice.
Und so dauerte es keine drei Wochen, nachdem ich 2018 ins Unternehmen eingetreten war, bis mich mein Abteilungsleiter bat, ein erstes kleines Kunstwerk für einen langjährigen Kollegen zu fertigen. Es handelte sich um einen Weinflaschenhalter, der aus Bremsscheiben, einer Nabe samt Kassette und einem Schaltwerk bestand.
Weitere Werke folgten, die für unsere Abteilung gedacht waren: Eine Wanduhr aus einer RS81-Felge mit Pendel aus einer DURA-ACE Kassette und ein Kleiderständer aus einer RS81-Felge und XT Bremshebeln.
Als ein langjähriger Außendienstmitarbeiter zum runden Dienstjubiläum geehrt werden sollte, baute ich ihm als Geschenk ebenfalls eine Wanduhr inklusive Pendel.

„Etwas Größeres“ zum 70-jährigen Jubiläum von Paul Lange
Durch diese verschiedenen Kunstwerke vorbelastet, kam es für mich nicht überraschend, dass ich im Februar 2019 gebeten wurde, etwas Größeres für den 60. Geburtstag unseres Geschäftsführenden Gesellschafters Bernhard Lange und zum 70-jährigen Firmenjubiläum zu bauen.
Anfangs hatte ich keine Vorstellung wie groß „etwas Größeres“ werden sollte. Daher befragte ich zuerst mehrere Personen aus dem näheren Umfeld des Chefs, was er denn so mag und was ihm gefallen könnte.
Die Antwort lautete, zusammengefasst: „Er mag ganz gerne Schiffe und alles was japanisch ist.“ Ich dachte nur: „Ein japanisches Schiff aus Fahrradteilen? Nee, das funktioniert nicht.“
Nach einigem Grübeln kam ich dann auf die Idee, einen Transformer aus Fahrradteilen zu bauen. Der Bezug zu technischen Teilen und cooler Optik war ja sehr naheliegend und so recherchierte ich im Internet alles über Transformer.
Transformers sind Spielzeug-Action-Figuren, die ursprünglich aus Japan kommen. Bekannt wurden sie vor allem durch den gleichnamigen US-amerikanischen Science-Fiction-Spielfilm. Die Figuren sehen aus wie Spielzeugroboter, die sich jedoch in andere Gegenstände wie Autos, Flugzeuge oder Tiere verwandeln können.
Als ich dann auf den Eintrag stieß, dass die Transformer ursprünglich eine Erfindung aus Japan aus den 1960er Jahren sind, war die Entscheidung gefallen.
Glücklicherweise habe ich durch meine Arbeit im Technischen Kundenservice Zugriff auf verschiedenste Fahrradteile und Zubehör, die ich für den Bau des Transformers verwenden konnte.

Erste Schritte zum Fahrrad-Kunstwerk
Anfangs war für mich überhaupt noch nicht klar, wie groß ich den Transformer machen wollte, wie er aussehen sollte und welche Teile ich für ihn verwenden konnte. Daher begann ich Fahrradteile zu organisieren, die mich zunächst einmal von der Optik her ansprachen. Vor allem nicht mehr benötigte Prototypen und Fotomuster verschiedener Teile und beschädigte Ware.
Im Gegensatz zu meiner normalen beruflichen Tätigkeit arbeite ich im künstlerischen Bereich eher unorganisiert. Das bedeutet: Ich arbeite ohne Skizzen, Pläne oder Ähnliches, sondern fange an einem Punkt an und baue mich dann sozusagen vorwärts.
So war es auch bei diesem Projekt. Anfangs hatte ich nur zwei Rocker und ein paar RST Dämpfer, die ich irgendwie zusammengehalten habe, um irgendwo eine passende Form zu erkennen. Nach mehreren Versuchen war das erste zusammenhängende Teil zu erkennen: Der Fuß.
Nachdem dieser zusammengesetzt war, arbeitete ich mich weiter nach oben. Ein Prototyp einer XTR-Kurbel ergab in Verbindung mit einem weiteren RST Dämpfer und einem weiteren Rocker letztlich das erste komplette Bein.

Es geht ans Eingemachte…
Bei längerer Betrachtung des ersten fertigen Beins wurde ich neugierig auf die ungefähre Größe und nahm von den körperlichen Proportionen bei mir selbst Maß, um es auf das Bein und die endgültige vermutete Gesamtgröße des Transformers zu schließen. Dabei kam der Transformer schon auf stattliche 130cm Gesamthöhe.
Einerseits wurde mir bei dem Gedanken, etwas so Großes zu bauen, ein bisschen mulmig, da dies natürlich auch einen erheblichen Arbeitsaufwand darstellte. Aber ich hatte mich schon in die Optik des ersten Beins verliebt und machte mich daran das zweite zu bauen.
Als dies auch fertiggestellt war machte ich mich auf die Suche nach einer passenden Lösung für die Hüfte und die Schulter des Transformers. Fündig wurde ich in unserer E-Mobility-Abteilung für STEPS, wo zwei nicht mehr benötigte Prototypen eines E-Bike-Motors verfügbar waren. Ab diesem Zeitpunkt ging das Projekt mit Riesenschritten vorwärts.
Zwei ULTEGRA Kurbelgarnituren fanden als Oberarme/Schulterblätter Verwendung. Bei den Oberarmen, der Rückenpartie und dem Hals kamen insgesamt fünf ältere Di2-Dämpfer zum Einsatz. Diese wurden nur sehr kurze Zeit gebaut und sind sehr rar bis gar nicht mehr aufzutreiben.

Gut Ding will Weile haben – die Fertigstellung des Transformers wird verschoben
Zwischenzeitlich war schon lange klar, dass ich den Zeitplan zum Geburtstag von Herrn Lange im April nicht würde halten können. Daher musste das Projekt bis spätestens zur Hausmesse fertiggestellt sein.
Die Hausmesse findet bei Paul Lange & Co. traditionell jedes Jahr im September statt. Im Jahr 2019 wurde das 70-jährige Bestehen der Firma gefeiert. Dabei sind Fachhändler aus der gesamten Fahrradbranche eingeladen, um sich über die neusten Produkte zu informieren und an Produktschulungen über Fahrradtechnik und echten Schrauber-Workshops teilzunehmen.
Prinzipiell hört sich „von April bis September“ nach relativ viel Zeit an. Aber während des Baus gab es ständig Anpassungen, so auch die Herstellung mancher Halterungen mit Hartlot.
So gab es auch die ein oder andere kritische Situation. Als ich einmal zwei XTR-Kurbeln mitnehmen musste, um die Achsen bei mir zu Hause mit dem Trennschleifer zu kürzen, lief mir prompt der Chef über den Weg und ich betete, dass er mich nicht fragt, was ich mit den zwei XTR-Kurbeln vorhatte.
Glücklicherweise konnte ich jedoch nach einer kurzen, freundlichen Begrüßung meinen Weg unbehelligt fortsetzen.
Ein anderes Mal führte Herr Lange Besuch durch den Technischen Kundenservice und ich war nicht im Haus. Meine Kollegen hatten aber rechtzeitig reagiert und den mittlerweile schon 130cm großen Transformer schnell in Sicherheit gebracht. Er blieb zum Glück unentdeckt.
Zum Transformer werden weitere Fahrradteile hinzugefügt
Die Unterarme wurden aus je zwei 11-Gang Getriebeeinheiten und Center-Lock-Aufnahmen einer Bremsscheibe sowie mehreren Messingstangen gefertigt. Die Hände wurden aus biegsamen Kupferleitungen gebogen und mit Handschuhen von PEARL iZUMi überzogen.
Glücklicherweise konnte ich einen Lazer Wasp Air Fahrradhelm und den Kinnschutz eines Lazer Revolution Helms vor der Verschrottung bewahren und fertigte daraus den Kopf des Transformers.

Dieser wurde mit einem Kugelkopf eines Fotostativs auf dem Hals (Di2-Dämpfer) befestigt. Somit lässt sich der Kopf auch in verschiedene Richtungen bewegen. Ein weiterer Lazer-Helm bildet den Brustkorb, um die Proportionen des Oberkörpers etwas menschlicher zu gestalten.
Um den Transformer auch von der Größe her etwas auf Augenhöhe zu bekommen, habe ich aus Eichenplatten mit der Oberfräse zwei schöne Platten gefertigt, die mit vier Standrohren unserer PRO Standpumpen zu einem Sockel verbunden wurden.
In die Oberfläche wurde das 70-Jahre-Logo mit Lasertechnik eingebrannt und mit einem Holzöl versiegelt.

Als der Transformer nun endlich auf dem Sockel stand, fiel mir auf, dass der Transformer ab Höhe der Kniescheibe ziemlich wackelig stand.
Um einen sicheren Stand zu gewährleisten, habe ich zwei Drehmomentschlüssel von PRO verwendet, um den oberen Bereich mit dem unteren fest zu verbinden. Glücklicherweise wurde dadurch nicht nur das Wackeln behoben, sondern es passte auch gut zur Optik des Transformers.
Letztendlich habe ich noch wenige Tage zuvor aus einem CATEYE Rücklicht die LED herausgelötet und mit einem Kabel bis in die Mitte des Brustkorbs verlängert. Das pulsierende Licht des CATEYE Rücklicht stellt den Herzschlag dar.

Die Präsentation des Transformers bei der Hausmesse von Paul Lange
Mit schlagendem Herz und leuchtenden Augen, konnten wir bei der Hausmesse endlich unser Werk präsentieren.
Neun Monate Bauzeit und etliche (vor allem private) Arbeitsstunden flossen in dieses umfangreiche Projekt. Es macht mich unglaublich stolz, dass ich die Möglichkeit bekam, etwas so Tolles bauen zu dürfen.
Doch auch wenn ich diesen Transformer entworfen und gebaut habe, wäre dies nicht ohne die massive Unterstützung meiner vielen Kollegen aus allen möglichen Abteilungen machbar gewesen. Sei es durch Beschaffung von Teilen oder sei es durch anderweitige Unterstützung – jeder Einzelne hat dazu beigetragen.

Paul Lange ist ein Team!
Seit ich bei Paul Lange arbeite, habe ich immer wieder einen unglaublichen Teamgeist erfahren dürfen, der sich bei der Unterstützung für dieses Projekt auch wieder gezeigt hat.
Dieser Teamgeist wird uns von der Firmenleitung vorgelebt und überträgt sich auf alle Mitarbeiter. Daher sage ich Danke an Alle, die mitgeholfen haben und Danke an die Geschäftsleitung. Danke dafür, dass dieses Unternehmen einzigartig ist.
Eine einzigartige Firma verdient ein einzigartiges Geschenk zum Jubiläum. Daher war es mir eine besondere Freude dazu beizutragen.
Auf weitere 70 erfolgreiche Jahre!

[…] Zum Thema Fahrradkunst habe ich noch einen schönen Link gefunden: Oliver Dürr arbeitet im Technischen Kundenservice bei Paul Lange. Privat interessiert sich für Steampunk und baut schon einmal Kunst aus Fahrradkomponenten. […]