Zu Besuch bei der Helmmarke Lazer
Was sollte ein guter Fahrradhelm zu bieten haben? Die Ansprüche sind in jedem Fall hoch. Er soll den Kopf gut belüften, gut aussehen, bequem sowie aerodynamisch sein und, allem voran, im Ernstfall unser Leben retten.
Ein Produkt, das im Bereich Fahrradzubehör also nicht fehlen sollte und sogar einen sehr wichtigen Platz einnimmt. Seit mittlerweile vier Jahren gehört die Marke Lazer in das Portfolio von Paul Lange & Co. Höchste Zeit, einmal hinter die Kulissen der belgischen Qualitätsmarke zu schauen.
Das Flanders‘ Bike Valley
Der erste Stopp unseres Besuchs war dabei das Flanders‘ Bike Valley – etwa eine Autostunde von Antwerpen entfernt.
Das Bike Valley, auch das Silicon Valley des Fahrrades genannt, besteht aus zwei Bereichen: dem Incubator und dem Windkanal. Zum Incubator, übersetzt „Brutkasten“, in dem Ideen und Innovationen „ausgebrütet“ werden sollen, gehören Firmen und Start-ups aus Belgien, aber auch aus Übersee.
An vielen Projekten wird hier auch gemeinsam gearbeitet. Teil des Incubators ist zudem das Top Sport Restaurant. Sport und gesunde Ernährung werden dort, wie soll es auch anders sein, groß geschrieben.
Alle Mahlzeiten oder Beilagen, die viel bzw. mehr Zucker enthalten, sind teurer. Lecker war es, davon konnten wir uns selbst überzeugen.
In Zukunft soll das Restaurant im ersten Stock über eine Rampe sogar direkt per Fahrrad erreichbar sein. Im Anschluss an unseren Lunch stellten uns Tim Cornelis, verantwortlich für Marketing und Sponsoring bei Lazer, und Nikolaas van Riet, zuständig für die Unternehmensentwicklung des Flanders’ Bike Valleys den dazugehörigen Windkanal vor.
Der Windkanal
2013 ins Leben gerufen, misst er ganze 50 Meter und wurde innerhalb eines Jahres auf die Beine gestellt – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Es handelt sich um einen offenen Tunnel.
Diese Konstruktion ermöglicht eine exakte Messung, da auch Luft von unten zugeführt wird. Besonders interessant ist, dass im Windkanal zur Visualisierung der Strömung mit Öl gearbeitet wird. Dabei handelt es sich natürlich um sehr spezielles, exotisches Öl, dessen Partikel kleiner als ein Mikrometer sind. Grund dafür ist, dass Rauch oder Nebel dem Luftstrom nicht korrekt folgen und damit weniger exakte Ergebnisse liefern können.
In der Formel 1 ist das eine längst bewährte Methode, präzise Messungen durchzuführen, genannt Particle Image Velocimetry, kurz PIV. Der Windkanal wird unter anderem von dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Auch dabei: Lazer Sport, BioRacer sowie Ridley-Macher Race Productions.
Natürlich steht der Windkanal aber auch anderen Interessenten zur Verfügung. Die maximal erreichbare Windgeschwindigkeit beträgt 110 Stundenkilometer. Eine Besonderheit, die speziell für Tests mit Fahrrädern von Interesse ist: Es können mehrere Radler in der Gruppe fahren. Dennoch ist die Suche nach der idealen Aerodynamik nicht alleine für den Radsport reserviert, auch Eisschnellläufer sind regelmäßig im Windkanal anzutreffen.
Technische Innovationen im Fokus
Für Lazer Sport sollen künftige Windkanal-Tests die aerodynamischen Fähigkeiten innerhalb der Produktrange weiter verbessern. Sean van Waes, CEO von Lazer Sport: „Seit unserer Gründung im Jahr 1919 stehen die hochmodernen, technologischen Innovationen immer im Fokus. Daher fiel uns die Entscheidung, uns am Bau des Windkanals im Bike Valley zu beteiligen, nicht schwer.“
Im Prüfstand an diesem Tag: der „Wasp Air“, ein Fahrradhelm aus dem Bereich Zeitfahren, bei dem es ganz besonders auf eine gute Aerodynamik ankommt. Aufgrund der Laserstrahlen hat während des Tests nur derjenige Einblick, der eine Schutzbrille trägt, ohne Schutzbrille nimmt man beim Blick gegen die Wand lediglich ein grünes Flackern wahr. Mit bloßem Auge ist allerdings sowieso nichts zu erkennen. Klarheit ergeben erst die Aufnahmen der High-Speed-Kameras sowie die aufgezeichneten Daten.
Zweiter Stop: Die Lazer Sport Hauptzentrale
Die Beteiligung am Flanders‘ Bike Valley ist für Lazer Sport nicht nur ein sehr innovatives, sondern auch lokal eines der größten Projekte. Die komplette Abwicklung und Vermarktung wird im Hauptsitz in Antwerpen – der Hauptstadt der Diamanten – gesteuert. Schon Marilyn Monroe wusste: „Diamonds are a girl‘s best friend.“ Und so liegt es auf der Hand, dass Lazer eine komplette Damenkollektion im Sortiment hat. Natürlich stilecht mit einem Diamanten als Erkennungsmerkmal versehen.
Lazer Sport – Leidenschaft und Erfahrung
Lazer Sport blickt mittlerweile auf über 90 Jahre Erfahrung, Leidenschaft und Hingabe in der Entwicklung und Herstellung von Schutzausrüstung verschiedenster Art zurück. Dazu zählen insbesondere Fahrrad- und Motorradhelme.
Sean van Waes, der bereits im Jahr 2000 für Lazer Motorcyle/Castelli arbeitete, wollte nach seiner Rückkehr 2008 deutlich stärker in die Entwicklung involviert sein. So sehr, dass er im darauffolgenden Jahr mit seinem Partner Peter Steenwegen kurzerhand die Sport- und Fahrradsparte erwarb, unter dem Namen Lazer Sport weiterführte und damit selbst über das Programm entschied.
„Lazer ist der Hersteller mit der meisten Erfahrung überhaupt im Helmgeschäft. Mit unserem breiten Portfolio an Helmen und passenden Brillen steht Lazer an vorderster Front in Sachen Produktinnovationen im Fahrradbereich“, so Sean van Waes, der natürlich auch nach dem Management-Buyout weiter auf die Erfahrungen und das Know-how aus vielen Jahrzehnten zurückgreifen konnte.
Die allerersten Fahrradhelme kamen in den 20er-Jahren zum Einsatz. Aber erst mit Einführung der Helmpflicht durch die UCI im Jahr 2003 kam der Fahrradhelm wirklich ganz im Radsport an.
Die aerodynamischen Vorteile wurden allerdings schon früher erkannt und beim Zeitfahren sowie auf der Bahn eingesetzt. Dies war auch der erste Kontakt von Sean van Waes mit einem Fahrradhelm.
Bei seinem ersten Ironman 1996 auf Lanzarote war er von dem Helm, den er trug, alles andere als begeistert. „Damals habe ich mir gesagt: Das kann man besser machen. Und der zweite Gedanke war: Das kann ICH besser machen. Das war mein persönlicher Einstieg ins Helmgeschäft“, plaudert der umtriebige Unternehmer aus dem Nähkästchen.
Daher kommt seine heutige Mission nicht von ungefähr: Innovative und komfortable Helme, die die Menschen tragen möchten, anstatt sie nur zu tragen, weil sie müssen.
Forschung und Entwicklung
Um dieser Mission treu zu bleiben, sorgt unter anderem die Forschungs- und Entwicklungsabteilung unter Alvaro Navarra – sozusagen das Herz bei Lazer Sport – für immer neue Entwicklungen und Erfindungen.
Von insgesamt 18 Personen, sind alleine zehn dafür verantwortlich, dass ständig neue Modelle mit innovativen Features entstehen. Einer der wichtigsten Punkte dabei ist die Homologation, die Einbeziehung von verschiedenen Standards, die ein Helm erfüllen muss.
Da Lazer Sport seine Helme weltweit verkauft, bedeutet das, dass die Helme die Standards in Europa genauso erfüllen müssen wie in den USA und Australien. Auf dem Fünften Kontinent ist Lazer, nebenbei bemerkt, sogar der Marktführer.
Wie entsteht ein Helm bei Lazer?
In jedem Jahr kreieren Navarra und sein Team zwei bis drei Helme, wobei die Entwicklung eines Helmes ungefähr zehn Monate in Anspruch nimmt.
Für die erste Zeichnung benötigt Alvaro etwa zwei Wochen. Das 2D-Modell wird dann schon spezifischer, so dass es rund sechs bis acht Wochen beansprucht. Interessanterweise wird immer nur eine Hälfte des Helmes angefertigt, die dann im Spiegel zum ganzen Helm wird. Dieses Modell wird dann im weiteren Verlauf in der Master 3D-Ansicht komplettiert.
Mittels CAD, dem Erzeugen eines geometrischen Modells am Computer, werden schließlich die Prototypen entwickelt. Das Modell wird dabei sowohl von außen als auch von innen, vom Verschlusssystem über die Belüftung bis hin zum Paddingsystem, perfektioniert.
Design
In enger Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabteilung, die im Hinblick auf Materialauswahl und Logoplatzierung noch ein gewichtiges Wörtchen mitredet, übernehmen die Kolleginnen und Kollegen in der Grafikabteilung dann den weiteren Gestaltungsprozess. Je nach Verfahren ist das Design nicht immer gleich erkennbar.
Besteht ein Helm beispielsweise aus sieben Teilen, sieht man nicht immer sofort, ob das Design passt. In einem ersten Schritt ist es für die Grafikabteilung wichtig, die neuesten Trends in Sachen Farben und Designs auszumachen. Wie in der Bekleidungsindustrie müssen die Trends bereits eineinhalb Jahre im Voraus ausgemacht werden.
Dabei geht es nicht nur um das Helmdesign an sich, sondern auch um Riemen, Pads und Riemeneinstellsystem. Insgesamt entstehen für einen Helm zwischen fünf und zehn Prototypen, von denen es meist drei Varianten in die Kollektion schaffen. Etwa die Hälfte der Range wird pro Jahr erneuert, um auf Messen wie der Eurobike neue Highlights und Designs präsentieren zu können. Das Sortiment bei Lazer Sport umfasst mittlerweile 43 Helmmodelle, das bedeutet es entstehen jedes Jahr an die 125 Muster – eine gewaltige Menge, wenn man bedenkt, wie viel Handarbeit in jedem einzelnen steckt.
Wie erhält der Helm die Zertifizierung?
Die Herausforderung bei jedem neuen Helmmodell ist aber nicht nur die Entwicklung und das Design, sondern auch, der entsprechend geforderten Zertifizierung zu entsprechen. Dafür müssen zahlreiche Tests durchgeführt werden.
Um den Anforderungen gerecht zu werden, hat Lazer ein eigenes Testcenter direkt in der Unternehmenszentrale in Antwerpen aufgebaut. Der zu testende Helm wird auf einem Kopf-Dummy platziert und fällt aus einer Höhe von drei Metern auf einen Amboss.
Drei Messsensoren im Inneren des Dummys messen die Kräfte, die auf den Kopf einwirken. Dabei werden vier unterschiedliche Bereiche des Helms nacheinander getestet: vorne, hinten sowie die beiden Seiten. Ein festgelegter Standardwert darf vom Helm nicht überschritten werden.
Grenzen überschreiten
„Fortschritt ist dabei unser Antrieb“, so Sean van Waes. „Die Entwicklung eines neuen Modells geschieht nicht von heute auf morgen, sondern wird so lange überarbeitet, bis es perfekt ist. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Ideen in unserer Forschungs- und Entwicklungs-Abteilung entstanden. Das Ergebnis sind leistungsfähige Produkte, die heute auf dem Markt erhältlich sind. Dabei lieben wir es, Grenzen zu überschreiten und über den Tellerrand hinaus zu schauen, um etwas Einzigartiges kreieren zu können.“
Zusammenarbeit mit der Wissenschaft
Dazu zählt auch, dass Lazer eng mit Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammenarbeitet und immer wieder Doktoranden, wie aktuell Dimitris Zouzias, im Team hat.
Er unterstützt das Projekt „The Heads“ – Head protection: a Europpean network for Advanced Designs in Safety. Ziel ist, den Wissensstand über Kopfverletzungen zu erweitern, um dadurch in Zukunft schlimmen Kopfverletzungen vorbeugen zu können.
Neben der Wissenschaft spielt aber natürlich auch der Faktor Mensch eine entscheidende Rolle. Alle müssen Hand in Hand arbeiten, damit am Ende ein tolles Produkt herauskommt. Der Team-Gedanke wird bei Lazer Sport groß geschrieben, ob bei der gemeinsamen Mittagspause oder der Feierabendrunde am Abend.
Die Leidenschaft für das Fahrrad ist stets spürbar und wird gelebt, denn bei allen Zahlen, Daten und Fakten zählt letztendlich nur das, was beim Radfahren auf dem Kopf sitzt.
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