Viel hatte ich im Vorfeld über Tubeless gehört und gelesen und hatte ein dementsprechend – milde gesagt – „indifferentes Meinungsbild“. Heißt, die einen singen das Hohe Lied auf die neue Reifentechnik, die ohne Schlauch auskommt, andere meinen, kurz gesagt: „Finger weg!“
Darum geht es: Tubeless-Reifen haben (wie PKW-Reifen) keinen Schlauch. Der spezielle Tubeless-Reifen verfügt über eine luftdichtere Karkasse, die sich absolut dicht an das ebenfalls speziell geformte Felgenhorn anlegt.
Das bedeutet, um Tubeless zu fahren muss man als erstes Tubeless Reifen erwerben und diese an das Laufrad anpassen. Dies geschieht mit einem exakt auf die Felgenbreite abgestimmten Felgenband, das die Speichenlöcher abdichtet und spezielle Ventile, durch die die Milch eingefüllt wird.
Ein Erfahrungsbericht, kein Tutorial
Dieser Blogbeitrag soll kein Tutorial zur richtigen Arbeitsweise sein – die gibt es mit der Beschreibung verschiedener Techniken zuhauf im Netz, sondern ein Erfahrungsbericht, wie es mir mit der Tubeless-Montage ergangen ist.
Ich bin Alltagsfahrer und Pendler, neudeutsch Commuter, der bei seinem Randonneur/Gravelbike nie Flickzeug oder einen neuen Schlauch dabei hat. Ich weiß, Asche auf mein Haupt.
Das war bisher auch kaum nötig. Entweder konnte ich den Platten oder Schleicher nach der Hinfahrt zur Arbeit oder vor der Heimfahrt beheben. Erwischte es mich mal unterwegs, das war wirklich selten, konnte ich mich in die Bahn setzen oder ich rief die beste Ehefrau von allen an, die mich irgendwo im Nirgendwo abholte.
Egal, die Aussicht, praktisch keine Reifenpannen mehr zu haben, fand ich schon bestechend. Und das sollte mit geringerem Rollwiderstand, höherem Fahrkomfort und etwas geringerem Gewicht einhergehen? Radler-Herz, was begehrst Du mehr?
Ostseeradweg: 40-Millimeter- statt 30-Millimeter-Reifen
Da ich im Herbst mit besagter Ehefrau den Ostseeradweg mit mutmaßlich teilweise nicht so tollen Radwegen befahre, war die Entscheidung klar: Ein 40 mm statt des bisherigen 30 mm Reifen musste her.
Die Wahl fiel auf den natürlich tubeless-kompatiblen Schwalbe G-ONE ALLROUND in der modischen Classic Skin Variante. Das heißt, mit den hellbraunen Flanken, die wie gemacht sind für meinen bronzefarbenen Rahmen.
Mit und ohne Kompressor
Im ersten Arbeitsschritt kamen die alten G-ONE SPEED runter, die Felge wurde penibel entfettet und das neue Felgenband wurde eingeklebt. Das sah schon gut aus.
Im zweiten Arbeitsschritt konnten wir die neuen Reifen vollkommen problemlos aufziehen – das hatte ich schon anders erlebt. Nun folgten die Ventile, die mit der Rändelschraube richtig fest angezogen wurden, um die Dichtigkeit zu gewährleisten. Den richtigen Reifensitz kann man gut am gleichen Abstand einer Rille am Reifen zum Felgenhorn erkennen. Dann kam der spannende Teil: Macht es ‚Plopp‘ oder nicht? Und brauchen wir einen Kompressor?
Antwort: Zweimal nein und einmal ja. Die hinteren Reifen ließen sich mit der leistungsfähigen PRO Standpumpe genau richtig „in Form“ bringen.
Warum auch immer, beide Vorderräder bedurften des Kompressors, der, vorher mit 8-9 bar aufgepumpt, in kürzester Zeit viel Luft in den Reifen presst und so für den richtigen Sitz sorgt.
Ende gut, alles gut? Ja!
Nun folgte der letzte Arbeitsschritt, das Einfüllen der Dichtmilch, das am besten in einer 5-Uhr-Position des Ventils erfolgt. Für Schlaumeier – 7 Uhr geht auch ..
Im Anschluss gleich das Laufrad in verschiedenen Positionen drehen und schütteln, damit sich die Milch gut verteilt. Das Ganze dauerte etwa 45 Minuten und war kein Hexenwerk. Die Reifen ließen sich einfach montieren, die Milch ohne die gefürchtete Sauerei gut einfüllen. Ende gut, alles gut? Soweit ja. Die Reifen halten den Druck und das Fahrgefühl ist einfach toll. Ich möchte nicht ausschließen, dass beim Fahreindruck das „Kopfkino“ mitspielt.
Bisher kann ich alle positiven Eigenschaften nur bestätigen, die vom jeweiligen Einsatzzweck abhängen. Derzeit „spiele“ ich noch mit dem richtigen Luftdruck.
Fakt ist: Auf der Straße mit etwas höherem Luftdruck liegen die Reifen richtig satt auf der Straße, „schmatzen“ regelrecht auf Asphalt und rollen hervorragend. Wunderbar, dass ich beim Auf und Ab der Radwege die üblichen lästigen 2-Zentimeter-Kanten ignorieren kann.
Snakebites sollten mit Tubeless ein Fremdwort sein. Geht’s am Wochenende mehr ins Gelände und auf Schotterpisten, fahre ich mit weniger Druck regelrecht auf Wolke 7 und genieße – wie auch auf der Straße – den neuen Komfort und tollen Grip.
Fazit
Natürlich lassen sich die alten 30er und die neue 40er Reifen nicht direkt miteinander vergleichen und über das Pannenverhalten kann ich auch (noch) nichts sagen. Aber für mich ist im Gravel-Segment schon jetzt klar: Einmal Tubeless, immer Tubeless!
Vincent says
Hey, was für ein Gepäckträger ist das auf dem letzten Bild?
Ich überlege mir den G one Allround für das Stadtpendeln zuzulegen, würdest du da noch auf die 35mm Variante gehen oder bei 40mm bleiben? Gruß aus Berlin
Konrad Weyhmann says
Hallo Vincent,
der Gepäckträger ist der Tubus Fly, den ich aufgrund seines geringen Gewichts, der Belastbarkeit, des puristischen Designs und der guten Befestigungsmöglichkeiten – bei mir mit Gabelung zu den Sattelstreben – absolut empfehlen kann.
Der Unterschied zwischen 35 oder 40mm beim G-ONE Allround dürfte marginal sein. Der breitere kann etwas komfortabler, d.h., auf schlechten Wegstrecken etwas schluckfreudiger sein und unter Umständen etwas mehr Grip bieten. Der Unterschied in Bezug auf den Rollwiderstand ist gering, da haben +/- O,2 bar einen größeren Einfluss.
Egal wie & wo – viel Spaß damit auf den Berliner Wegen
Konrad
Daniel says
Wird Zeit dass ich mal auf tubeless umsteige. Hatte schon viel zu oft Platten was oft für Stress gesorgt hat.
Konrad Weyhmann says
Hallo Daniel,
ich denke, das geht uns allen so – irgendwann ist Schluss mit lustig. Kann nach wie vor nur Gutes über die Umrüstaktion berichten. Als (ehemaliger) Vertreter der ‚reinen Lehre‘ – habe lange an eher schmalen Reifen festgehalten (ich tue Buße) – freue ich mich über die klasse Rolleigenschaften des 40er Schwalbe G-ONE Allround, der sicher auch eine gute Wahl für Herbst & Winter ist. Das Nachpumpen hat sich auf ca. 3 Wochen reduziert. Ich fahre zwischen 3 und 2 bar, was ich mit dem präzisen Schwalbe Luftdruckprüfer checke. Nettes Tool. https://www.schwalbe.com/de/zubehoer
Hier findet man übrigens auch die ziemlich genialen Schwalbe Reifenheber, bei denen man den Reifen ohne zusätzliche Spannung fixieren kann. Erstaunlich, dass sich ein derart banales Teil wie ein Reifenheber noch so verbessern ließ.
Viel Spaß & Erfolg
Konrad
Tom says
Schön geschrieben. Tubeless scheint auch mir langsam zu gefallen! 😉
Konrad Weyhmann says
Danke, Tom! Ich muss ca. 1x die Woche nachpumpen, das halte ich für akzeptabel. Über Pannen kann ich glücklicherweise nichts berichten. Halte Dich auf dem Laufenden.
Grüße & tschüss
Konrad
Jürgen Bach says
Hoi Conny.
Hab ich dir doch immer gepredigt…freut mich, dass du ein TL-Fan geworden bist!
Wie du ja weißt, fahre ich ja mit Verena schon seit 5 Jahren im MTB (SCHWALBE Nobby Nic & Rocket Ron) & amp; Rennrad (SCHWALBE Pro One TLE / One TLE) Tubeless und kann immer wieder wie der Pfarrer von der Kanzel für dieses System absolut predigen (empfehlen).
Bis bald, Jogi
Konrad Weyhmann says
Hallo Jogi,
ja, besser spät als nie. Bei MTB keine Frage – habe mich gerne bei Gravel überzeugen lassen. Wenn Du nix weiter hörst, dann war alles gut. (Nicht gemeckert, ist genug gelobt)
Grüßle & tschüss
Conny