Fangen wir mal von vorne an. Was ist das eigentlich, dieses Bikepacking? Die Wortschöpfung geht anscheinend auf Backpacking zurück, das Rad wird quasi zum Wanderrucksack – allerdings ist es fahrbar und deutlich schneller als zu Fuß.
Ist Bikepacking nicht einfach nur Radreisen?
Eigentlich gibt es das schon länger unter der Bezeichnung Radreise. Der Radreisende ist gut erkennbar am Satz grell bunter Packtaschen aus LKW-Plane, Gepäckträger aus Stahl- oder Alugeröhr an Front und Heck, Schutzblechen und einer verwaschen-funktionalen Garderobe in Farbtönen vergangener Jahrzehnte. Das Oberrohr übersät mit Aufklebern aller Herren Länder, im Gepäck klappbares Mobiliar, eine Gulaschkanone und der große Brockhaus.
Das Problem am klassischen Radreise-Gepäck ist mir aus zahlreichen Touren noch in lebhafter Erinnerung.
Das Rad wird durch das Gepäck außerordentlich schwerfällig, ja noch schlimmer, um überhaupt die schwere Last klassisch ausgeführter Touren zu bewältigen, braucht es ein umso schwereres Fahrrad – und dahin ist es mit der Leichtigkeit des Seins!

Spaß beiseite, natürlich hat das alles seine Berechtigung. Im Bild oben ist das Rad bepackt mit etwa 10 Liter Wasser, Essen für über eine Woche, großem Ersatzteilsortiment, Kocher, Zelt und einem Schlafsack im Komfortbereich weit jenseits der Null Grad.
Meine Tour führte mich letztes Jahr von Murmansk (nördlich des Polarkreises gelegene Hafenstadt auf der russischen Halbinsel Kola) zum Nordkap. Spätestens hier ist schweres Gepäck unverzichtbar. Aber eine gewisse Lust auf Entschleunigung muss eben mitgebracht werden.

Leicht und flott
Ganz anders ist das beim Bikepacking. Leicht und flott soll es sein, der Charakter des Rades möglichst erhalten bleiben. Das Mountainbike fühlt sich auch auf Trails noch wohl und das Rennrad oder Gravelbike verliert durch die Platzierung der Taschen kaum an Aerodynamik.
Außerdem können hier ganz andere Räder für Touren verwendet werden, da das Kriterium der Gepäckträgermontage wegfällt. Von Vorteil sind jedoch innen, oder wenigstens geschlossen verlegte Züge, so dass sie nicht mit Rahmen- oder Oberrohrtasche in die Quere kommen.
Das, durch Events wie die Tour Divide in den USA, oder den Tuscany Trail in Italien, populär gewordene Konzept des Bikepackings verfolgt den Ansatz, nicht das Rad dem Zweck anzupassen – also das Sportgerät in einen Lastenesel zu verwandeln – sondern den Zweck dem Rad anzupassen. Gepäck ja, aber nicht um jeden Preis!
Dies gelingt, indem überhaupt erstmal weniger Masse mitgenommen wird. Diese wird dann in kleinen Portionen am Rad verteilt. Durch das geschickt verteilte Gepäck fährt sich das Rad kaum anders als sonst. Merke: Perfektion ist hier nicht erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen kann – vielmehr wird diese dann erreicht, wenn nichts mehr weggenommen werden kann!
Also wird die Zahnbürste abgesägt, die Wechselkleidung auf ein Minimum reduziert und nur so viel Essen mitgeführt, das es gerade so bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit reicht. Die sprichwörtliche „Trail Magic“ hilft bisweilen, Defizite beim Packvolumen auszugleichen. So wird sich auf größeren Events auch mal gegenseitig bei Reparaturen ausgeholfen, oder an fremden Haustüren geklingelt, um seine Flaschen aufzufüllen.
Gerne wird – entsprechendes Klima vorausgesetzt – auch auf das Zelt verzichtet, man legt sich einfach auf die nächste Wiese. Diese Nähe zur Natur kann aber je nach Fauna teuer werden, also bitte vorher informieren und vielleicht ein bisschen Zusatzgewicht für Mückenspray o. ä. einplanen.
Besonders ambitionierte Bikepacker sind übrigens leicht an der Isomatte aus Luftpolsterfolie zu erkennen (kein Scherz!) .

Ein paar Tipps zum Packen am Beispiel der PRO Discover Bikepacking-Taschen
Generell gilt: Überblick behalten! Viele Taschen bedeuten auch, dass in vielen Taschen gesucht werden muss, wenn etwas nicht auf Anhieb gefunden wird. Daher bietet es sich an, die Taschen nach „Themen“ zu packen.
Bewährt hat sich zum Beispiel Bekleidung in einer großen Satteltasche aufzubewahren, da hier höheres Volumen auf niedriges Gewicht trifft.
Regenjacke, Armlinge und ähnliches können je nach Wetterlage entweder direkt in die Trikottasche wandern oder aber in eine der Taschen, die während der Fahrt oder zumindest ohne abzusteigen erreichbar sind.

Werkzeug, Vorräte und andere schwere Dinge gehören in die Rahmentasche. So nimmt das Gewicht kaum Einfluss auf die Wendigkeit des Bikes.
Schlafsack und Isomatte kommen in oder an die Lenkerrolle, weil diese Tasche während der Fahrt nicht so gut zugänglich ist und die Sachen erst bei der nächsten Übernachtung benötigt werden.

Essen sollte natürlich vor allem in Taschen verstaut werden, welche während der Fahrt gut erreichbar sind.

Wo darf es mit den Bikepacking-Taschen hingehen?
Der neueste Trend sind „Mikroabenteuer“, auch „Overnighter“ genannt, also kurze Touren mit einer Übernachtung im Freien.
Das bietet sich an, denn hier wird entsprechend wenig Gepäck benötigt. Einfach genug warme Kleidung, ein paar Snacks, sowie Schlafsack und Isomatte einpacken und raus in die Natur. Schlafen unterm Sternenzelt und am nächsten Tag wieder erholt zurück. Soweit das Konzept, in der Realität eher gewöhnungsbedürftig. Die erste Nacht im Freien, insbesondere alleine, ist allgemein nicht für ihren Tiefschlaf bekannt. Empfehlenswert finde ich eher mehrtägige Touren.
Wer Hotels und Herbergen im Voraus einplant, kann natürlich auch auf Schlaf-Utensilien verzichten und fährt noch leichter. So ist mit den entsprechenden Taschen ein Alpencross komplett ohne Rucksack, oder lediglich mit einem leichten Trinkrucksack möglich.
Mittlerweile schon ein Klassiker ist sicherlich der Tuscany Trail, der alljährlich im Juni durch besagte Landschaft Italiens führt. Mit gut 500 Kilometern und je nach Streckenführung bis zu 10.000 Höhenmetern bieten sich ambitionierten Fahrer/innen abwechslungsreiche Streckenprofile, traumhafte Landschaften und eine herrliche Esskultur.
Entspannt mit 35 Kilometern pro Stunde auf leicht abschüssiger Strecke über weißen Schotter knirschen, irgendwo zwischen Espresso, Eiscreme und Pasta – da kann man sich dem Himmel schon sehr nahe fühlen. Bellissima!

Ein Vorschlag für ganz Abenteuerlustige: Stichwort „Grenzsteintrophy“. Immer mal wieder ist von einem Kreis von Radfahrern die Rede, die sich aufmachen, den alten innerdeutschen Grenzstreifen abzufahren. Dabei bleiben sie kompromisslos auf der Linie, auch wenn diese eigentlich schon bis zur Unkenntlichkeit verwuchert ist.
Das, ich sage es ganz ehrlich, habe ich mich auch noch nicht getraut. Vielleicht ja 2020… .
Der Tuskany trail sieht verlockend aus – gibt es dazu GPX Files?
Hallo Maximilian,
in der Tat sieht das verlockend aus! Auf der Tuscany-Trail-Seite finde ich eine Karte, aber kein GPX. Ich würde da einfach mal anfragen,
Viele Grüße,
Markus von Paul Lange